Gigtagebuch Teil 3
Mal was ganz anderes: Die Partymucke spielt auf einer Hochzeit, und zwar einer ganz speziellen: Italiener heiratet Inderin! Beide in Deutschland geboren, aber mit einschlägiger Verwandtschaft gesegnet, die – gewandet wie aus dem Handbuch der großen Vorurteile – aus der ganzen Welt von Palermo über New York, Kalkutta (Vorstadt), Rotterdam bis Unterflockenbach angereist war. Entsprechend bunt war das Büffet. Unser kleines Besteck in einem lauschigen Dorfgemeinschaftshaussaal kommt kaum zur Anwendung, weil die männliche indische Verwandtschaft die Schallquellen im Handstreich nimmt und indische Discomusik laufen läßt, zu der sie ausgelassen herumhüpft, während die – teilweise äußerst angenehm anzuschauenden – Mädels mit niedergeschlagenen Augen brav an den Tischen sitzen. Insgesamt haben wir 18 Titel gespielt, die Kohle hat gestimmt und abgebaut war auch schnell.
RUST spielt in unserem Wohnzimmer, dem Brummistadl. Das Wetter ist erfreulich, man hat uns wieder den Tieflader vor das Haus gestellt und wir turnen darauf herum. Der Fanclub ist vollzählig und schneidet auf Camcorder mit. Um 22:05h wird die Veranstaltung durch die Ordnungskräfte beendet, da sich ein Stadtrat beschwert hatte, der ganz gewiß nicht in dieser Gegend wohnt… Aber so lange war es prima.
Tags darauf ist die Partymucke kerwetechnisch unterwegs und, was soll ich sagen: ES GEHT DOCH! Bühnen- und FOH-Sound vorbildlich, ein tanzfreudiges, wohlwollendes Publikum, das sich ohne nennenswerte Ausfälle amüsiert und eine ausgezeichnet gelaunte und entsprechend aufspielende Band. So hätte ich es gerne öfter.
RUST spielt im Lord of Kerry in Worms, wo der Chef seinen Geburtstag von uns musikalisch untermalen läßt. Wir bekommen es hin, mit Bio-Schlagzeug und ohne in´s Pult gespielte Modeler, sondern mit richtigen Amps Druck zu machen, ohne dass der Kitt aus den Fenstern bröckelt. Die Frau des Bassisten, der hier vielleicht seinen letzten Gig mit uns spielt, meinte, uns noch nie so gut und ausgewogen gehört zu haben. Weiber!
Es folgt die Goldene Serie des Acoustic-Duos.
Angefangen mit dem postmodern eingerichteten, sehr weitläufigen und scheinbar einzigen Bistro eines noch nicht eingemeindeten Ortes vor den Toren von Ludwigshafen. Es ist Samstagabend, und es gibt offensichtlich keinen anderen Ort in der Gemeinde, an dem man sich treffen könnte. Dementsprechend ist das Publikum sehr unhomogen: Cliquen von heranwachsenden Rauchern, die scheinbar nur zum Telefonieren und Saufen gekommen sind, wenn sie sich nicht gegenseitig anbrüllen; friedliche tätowierte Motorradfahrer in Kutte; ältere Herrschaften, die eigentlich speisen wollten, und eine Handvoll Mittelalter, die in der Hoffnung auf eines der wenigen kulturellen Ereignisse in der präurbanen Ansiedlung erschienen sind. Es ist uns Dank des breitgefächerten Repertoires gelungen, die Lokalität lebend zu verlassen und wurden wieder gebucht.
Und jetzt: die Theaterklause in Ludwigshafen! Dass solche Kneipen immer an der falschen Ecke stehen… Von der Größe eines Schuhkartons Gr. 52, brauchen wir dort nur eine Lautsprecherbox. (Eigentlich könnten wir die Gäste ja auch direkt anschreien, aber das ist über den Abend verteilt doch zu anstrengend). Zuvorkommende Chefs, eine ältere, aber ausgesprochen enthusiastische Schar von Stammgästen und ein netter, angenehmer Gig. Gleich vier weitere Termine vereinbart. Richtig: tags zuvor hatten wir noch eine einstündige Sendung live in einem winzigen Lokalsender gemacht, die keine Menschenseele gehört hat, die aber auch Spaß machte.
Kneipen an falschen Orten die zweite: ganz am Ende einer Vorstadtsiedlung (die typischen Einheitshäuser in ewiglanger Reihe, davon jedes mit allerlei Geschwüren verziert; mal als Garage getarnt, mal für die Karnickel oder als Windfang verkleidet) hat sich hier jemand einen Traum erfüllt. Beim Eintreten läuft auf dem großen Bildschirm John Fogerty live mit einer tollen Besetzung. Die Wände hängen voller Memorabilia und echter Autogramme, die Einrichtung ist liebevoll und akribisch zusammengestellt und die aufgearbeitete große Wurlitzer Musicbox ist mit originalen alten Singles bestückt. Ein Traum für Nostalgiker! Mal sehen, wie lange er noch durchhält: wir geben einen sehr konzertanten Abend für acht Leute, den Chef und die Bedienung mitgerechnet.
Am übernächsten Tag das komplette Gegenteil: der mittelgroße Vorstadt-Asi-Treff, bis auf den letzten Platz besetzt mit allen, die sich nicht in ein Restaurant trauen. Der Tagesgong war eine schätzungsweise 17-jährige Mastelfe der Zwei-Bauchringe-Klasse, die ihre Schenkel an allem rieb, bei dem sie ein Schwänzlein in der Hose vermutete und uns bei laufendem Song „Schneller, schneller!“ antrieb. Ich verlor die Contenance und merkte – nachdem wir den gerade gespielten Titel beendet hatten ! – an, sie möge doch für ihre Lieblingsbeschäftigung auf einen schnelleren Titel warten, da nicht einmal Heidi Glum mich dazu veranlassen könne, einen einmal begonnenen Titel zu beschleunigen. Mich hat man gehört, denn ich hatte das Mikrophon. Warum die uns wieder haben wollen, ist mir ein Rätsel. Ich glaube, dort lasse ich mich ausnahmsweise vertreten.
Die Partymucke ist unterwegs. Zur Feier eines runden Geburtstages hat die Festsau eine Pizzeria angemietet. Die Anzahl der Gäste läßt sich nur mit Mühe auf die vorhandenen Stühle verteilen, die 6-köpfige Kapelle wird in eine Nische von der Größe eines Mercedes Benz SLK gequetscht. Der Aufbau mittags ähnelt dem Problem, eine Kontaktlinse in ein völlig übernächtigtes Auge zu zwängen: was wir sonst in 30 Minuten erledigt gehabt hätte, dauerte zwei Stunden, und ich hatte nur das DG-Stomp dabei! Um 22:00h sollten wir anfangen. Anstatt zu essen gab es nichts zu trinken ( na ja, später dann doch), und wir waren pünktlich wieder da. Bei unserem Eintreffen wurde aber gerade der Hauptgang serviert, so dass wir letztlich gegen 23:30h anhuben. Dafür ging es dann bis in den Morgen, so dass ich um 04:30h heimkam.
Habe ich schon mitgeteilt, dass ich Wecker hasse? Kurze Zeit später holt er mich aus dem Koma, weil das Duo in einer alt eingesessenen Seckenheimer Kneipe mit sehr gutem Essen zur Kerwe aufspielt. Die reichen Bauern auf dem Altenteil, die ihre Äckerchen für Unsummen an die blöden Städter vertickt haben, die unbedingt ein Eigenheim wollten, finden sich dort genauso wie ganze eingeborene Familienklans. Die restlichen Plätze werden mit Laufkundschaft aufgefüllt, die dem Duft aus der Küche gefolgt sind. So haben wir drei Generationen zusammen, die im Laufe unserer Bemühungen einmal komplett durchwechseln, wobei sich die zuletzt eingetroffene Besatzung häuslich einzurichten scheint. Nach einem ruhigen Beginn, bei dem uns der Rentnertisch bei weitem übertönt, gewinnt das Geschehen zunehmend an Dynamik. Säuberlich nach Altersgruppen geordnet, fängt erst das Mittelalter an, mitzusingen. Dadurch angespornt, bringen wir die Gassenhauer aus allen Rohren, so dass auch die Heranwachsenden beginnen, es cool zu finden. Mißbilligende Blicke aus der Geriatrieecke werden durch lauteres Singen und Klatschen beantwortet, so dass der Alterspräsident, der allem Anschein nach schon Luft ansog um für Ordnung zu sorgen, sich angesichts dieser Übermacht eines besseren besann und zaghaft auf die 1 und die 3 mitklatschte. Damit war das Eis gebrochen, und wir haben – rein aus Promotiongründen, versteht sich! – kraft eigener Willkür die vereinbarte Auftrittszeit um fast zwei Stunden überschritten. Wir konnten zwei weitere feste Termine, einen netten Batzen Bargeld und eine leichte Heiserkeit mit nach Hause nehmen.
Zwischendurch war das Duo immer mal wieder im Wohnzimmer, dem Brummistadl. Davon ist nur das letzte Mal erwähnenswert: der Wirt hat es mit seinen Launen wohl etwas übertrieben, und nach Rauswurf zweier Bedienungen blieb ein ziemlicher Teil der Stammkundschaft aus. Was hingegen kam, war eine Aushilfe nebst Gatten und einigen Freunden, die sich zunehmend lautstark über noch ausstehende Zahlungen für die Aushilfstätigkeit unterhielten. Das Angebot einer Nasenverformung beantwortete der Wirt mit dem Griff nach einem ausgewachsenen Dreschflegel; allerdings sorgten die inzwischen von der Thekenschlampe herbeigerufenen Ordnungskräfte allein durch ihr Erscheinen für Abkühlung der erhitzten Gemüter. Bei unserem letzten Set wurde die Stimmung aus unbekannten Gründen aber nicht mehr so richtig ausgelassen, was der Wirt auch beim Abschied bemängelte. Einen Kommentar verkneife ich mir.