The Day I met Stevie Ray Vaughn

Blues-Verne

Power-User
8 Dez 2008
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Peetown @ SP
ACHTUNG: nach Korrektur und Info von Forumsmitglied Tomcat - der Mann weiss echt was ...hier die korrekte Version:

Freitagmorgen, Sommer 1985 in Hamburg. Frühstück mit Zeitunglesen, standard procedure.

Wie immer von hinten und erst mal die Veranstaltungsinfos überfliegen. Ich stutze, mein Blick bleibt am Bild eines verwegen aussehenden Pseudo-Piraten hängen, mit ner Art Cowboyhut und Federbuschel dran, auch noch Rüschenhemd! Crazy guy. Dann lese ich was von Gitarrist mit Hendrix-Performance bis zu "hinter-dem-Kopf" spielen...
Da muss ich hin: Fabrik, 19.oo Uhr.

Die Schlange an der Kasse war nicht allzu gross, aber das Konzert war bereits ausverkauft.
Während ich fieberhaft überlegte, wie ich doch noch reinkommen könnte, dabei mal angelegentlich um das Fabrikgebäude schlich mit Gedanken an lange zurückliegende Schülerzeiten mit "Hallen stürmen" und Ordner bequatschen, fuhr am Hintereingang ein LKW vor. Etwas ungewohnt gestylter Kasten mit englischem Nummernschild. Schnell sprangen drei langhaarige, kräftige Freaks heraus und ich sah meine Chance gekommen.
"You're the stage crew, innit?"
"Damn yeah, and we're fucking late!" Dann folgte noch ein von etlichen Flüchen begleiteter Hinweis auf Autobahnstau. Ich überlegte nicht eine Sekunde: "Do you need a helping hand?"
"Ahh...good on ya, mate!" ...und ich war dabei!!

In Windeseile luden wir den Truck aus und bauten die Anlage auf die Bühne. Unterdessen waren die drei Bandmitglieder eingetroffenen und absolvierten einen kurzen Soundcheck, bei dem ich schon mal einen sehr angenehmen Vorgeschmack auf das spätere Konzert bekam.
Die Fabrikhalle war schon randvoll, auch die Galerien dicht besetzt.

Aber der Meister liess warten.

Inzwischen war backstage auch die blonde "Artist Relations" -Tante von Stevie's deutscher Plattenvertriebsfirma eingetroffen und wurde zunehmend nervöser. Auch die stage crew tauschte beunruhigte Blicke aus. Ich sass bei Stevie's Gitarrenroadie und während Bart des Meisters Ladies spielbereit machte, sahen wir seinem Kollegen Clive zu, der in einem grossen Putzeimer ein abenteuerliches Gebräu anrührte. Es war so etwas wie ne Bowle, eine Mischung aus CocaCola, Orangensaft, Bourbon Whisky, und noch zwei, drei andere hochprozentige Zutaten, die ich nicht mehr genau erinnere. Das war laut Catering-Order ein Muss, weil der Spezialtrunk für die Musiker! Und, hey, das Zeug schmeckte gar nicht mal so schlecht ...aber hatte es höllisch in sich!! Passte auch gut zu den belegten Scheiben feuchten Kartons und dem Kartoffelsalat.
Und alle warteten mit zunehmender Anspannung und Nervosität auf des Meisters Erscheinen.

Derweil beobachtete ich mit Staunen Bart's Einstellprozeduren an den Strats. Es waren drei, eine weisse, die ziemlich neu schien und zwei Sunbursts. Und Mann oh Mann, die eine völlig abgefressen und verklebt mit Stickern - das war Number ONE.
Auf meinen dämlichen Hinweis, die würde es ja wohl nicht mehr lange machen, klärte Bart mich lachend auf: die ist nicht tot zu kriegen, "she's a monster! Feel the neck!" und reichte mir die Schrammel rüber.
"Bloody hell, what a baseball bat", entfuhr es mir. Junge, Junge, das war vielleicht ein Prügel. Und Drähte hatte der aufgespannt - mein lieber Herr Gesangsverein. Aber ich kam erstaunlich gut damit zurecht, dank monatelanger Akustikphase auf meiner Dreadnaught mit 13-56er Bronce. Und der Hals griff sich wie Butter, mit einem seidigen Feeling, was nur bei alten, viel und lange gespielten Instrumenten zu finden ist! Ich war überzeugt.
Bart grinste breit. Gerade wollte er fortfahren in seiner Auflistung von (mir meist völlig unbekannten) Musikern, für die er schon gearbeitet hatte, da kam Bewegung in die Hütte - Mister Vaughan traf ein.

Schnell entriss mir Bart Number ONE und stand auf, um sie seinem Chef hinzureichen.
Der sah allerdings so gar nicht danach aus, als würde er überhaupt noch einen Ton spielen an diesem Abend! Ziemlich abgewrackt und abgefuckt stand er im Bühneneingang, neben ihm eine noch abgefucktere Begleiterin und beide offensichtlich ordentlich angeschickert. Na ja, irgendwie werden die die 1-1/² Stunden Verpätung im Hotel schon rumgekriegt haben.

Die "Artist Relations" -Tante verlor jedenfalls augenblicklich ihre Contenance und begann auf Herrn Vaughan einzureden, während der sich erst mal ne Schöpfkelle Gebräu eingiessen liess.

Draussen in der Halle tobte schon die Menge beim Einlauf der drei Bandmusiker, der Meister stürzte seinen Drink hinunter, warf noch einen kurzen verwunderten Blick auf mich Unbekannten, griff sich Number ONE, schleuderte beim Umhängen erst noch den Federbuschel-Cowboyhut zu Boden (Bart war schnell zur Hand) drehte sich nochmal kurz zu seinem Liebchen um, ein kurzes Zungenschnalzen und ab auf die Bühne.

Was dann folgte riss mich völlig aus den Schuhen, versetzte mich in einen Rausch von Tönen und liess mich Gefühlswallungen durchleben, von low down deep bis himmelhoch jauchzend.
Ich durfte zu dem Toningenieur auf das Mixerpodest mitten im Saal: Ehrenloge! Wahnsinn! Irre. Unglaublich guter Sound - der Deutsch-Mann verstand sein Handwerk, die PA war noch Horn-bestückt (keine miesen Kompressionsbüchsen wie heutzutage) und Mister Vaughan schien auf der Bühne gerade von den Toten aufzuerstehen. aber wie!!!!

Ohne lange zu fackeln stieg er in ein höllisch energiegeladenes Set druckvollen Texasblues', mit einer tighten Band, die ihrem Chef traumwandlerisch folgte. Ahhh, die Jungs liessen es krachen! Vaughan entwickelte eine Spielfreude mit singenden Gitarrenlinien und druckvollen Riffs, entfesselte aus dieser abgefressen Strat ein Feuer und Hitze, dass der ganze Saal zu kochen begann. Zur Erinnerung: es war Sommer und eh schon sauheiss!

Aber der Meister kannte keine Gnade. Als wolle er sich den ganzen Alkohol aus den Poren schwitzen, die Rüschen seines Bühnenhemds schon pitschnass, drosch er auf seine Gitarre ein, dass einem Angst und bang werden konnte. Oh mein Gott!
Dann plötzlich der Soul. TIN PAN ALLEY, zum weinen schön, deep deep down in Blues. Alle, alle in der Fabrik wurden still, waren ergriffen, fühlten mit. Gänsehaut pur! Unglaublich intensiv!

Es kam die Pause, ich ging backstage, aber ich wagte nicht, den Meister anzusprechen. Seine Aufmerksamkeit galt eh mehr seiner Liebsten, seine Musiker machten small talk, auch die Tante von der Plattenfirma hielt sich im Hintergrund, Profis. Die Pause blieb kurz.

Das zweite Set brachte nochmal tiefsten Aufruhr, Showeinlage mit dem hinter-Kopf-Spielen, zwei Zugaben, jeder im Haus war durchgeschwitzt und ausgelaugt. Trotzdem langes Lärmen nach mehr. Aber der Meister war erledigt und verschwand gleich nach dem Abgang von der Bühne. Es war spät. Es war umwerfend.

Once in a lifetime, you won't get it a second time. I been there. Sic.

Den Blues zum Gruß Verne
 
Sehr eindrucksvoller Bericht. Beneide dich sehr um diese Erfahrung und muss mal wieder einsehen, dass ich mindestens 30 Jahre zu spät geboren wurde ;)
 
Tolles Erlebnis Verne und auch sehr schön geschrieben :top:

Muss doch ein irres Gefühl gewesen sein, die Vaughan'sche No.1 in der Hand halten zu dürfen. Die meisten hier kennen Stevie ja nur noch von Platten und Bildern, doch du warst nah dran an dem wohl besten weißen Bluesrockgitarristen aller Zeiten. Er war ja auch mal hier bei mir direkt in Neunkirchen in einer großen Sporthalle - lange her und ich kannte ihn noch nicht - schade!

R.I.P. SRV :cool:
 
Ich war mal vor ca. 20 Jahren bei ... Rex Gildo.
Möbelhaus, morgens um 11 Uhr.
War wohl genauso wie bei Dir und dem armen Texaner:
Rex war auch ziemlich betrunken und hat geschwitzt wie ein altrömischer Springbrunnen. Das war alles in allem auch ... beeindruckend.



Da war aber das Essen besser, es gab keine Pappen, aber der Tonmann schlecht. Was der da an den Knöppen fummelte ...
 
Hi,

wirklich beeindruckend.

Ich bin zwar nicht 30 Jahre zu spät geboren...aber 84 war ich musikalisch ganz woanders. Blues fand ich damals langweilig.......wie blöd von mir :!:
 
Mädels und Männer,
danke für die Würdigung.
Ja, so im Rückblick komm ich langsam zur Erkenntnis, dass mein Leben ganz schön bunt war und bin dabei, das eine oder andere mal aufzuschreiben.

Witzig auch: ich habe die Fabrik angeschrieben, um nochmal zu präzisieren, an welchem Wochenende genau das war.
Erst kam gar nix. Dann fragte eine Dame zurück, wer denn dieser "Faughn" gewesen sei und bei ihnen sei nix darüber bekannt.

... und dann war da noch das kleine Besäufnis in einer Eckkneipe am Coogie Beach in Sydney mit nem lustigen Zecher, der mit prächtiger Stimme meine zur Gitarre vorgetragenen Bluesees and Oldies begleitete. Spät, sehr spät - nein, früh am morgen erfuhr ich dann wer Peter war ...der Sänger von Midnight Oil. Kannte ich damals noch nicht so.
Ach, ich bin schon immer am Zeitgeist vorbeigeschrammt...
War ne nette Bekanntschaft für 'n paar Jahre (mit dem Wörtchen Freundschaft bin ich vorsichtig...)
Doch ...that's another story for an other day.

@ maggie: schau mal da: http://www.guitarworld.de/gwpages/gear,a,show,g,1667-vt-30-tweed-mit-jbl-d-130f.html
 
yeah... prima Geschichte... nett zu lesen... Danke für's mit uns teilen...

Greets
PIT... :)
 
Ja coole Story deinerseits :-D

allerdings ist hier schon zu erkennen warum er diesen Lifestyle
nicht ewig durchhalten konnte......

Tragisch das er gestorben ist, nachdem er durch seine Krisen
durch war und es ihm deutlich besser ging als Mitte der 80er..... :cry:

die letzte Platte ist mMn seine beste und meilenweit besser als
die grausige SRV Live Alive CD (die wohl auch gar nicht sooo live war).
Da wäre bestimmt noch einiges zu erwarten gewesen...........
 
Wer war denn 1984 der dritte Mann bei Double Trouble? Mit Reese Wynans war erst ab 1985 ein Keyboarder dabei...
 
Blues-Verne":1z5e1tbm schrieb:
...

... und dann war da noch das kleine Besäufnis in einer Eckkneipe am Coogie Beach in Sydney mit nem lustigen Zecher, der mit prächtiger Stimme meine zur Gitarre vorgetragenen Bluesees and Oldies begleitete. Spät, sehr spät - nein, früh am morgen erfuhr ich dann wer Peter war ...der Sänger von Midnight Oil. ...

Und der ist heute down under Minister für Umwelt, Kulturerbe und Kunst!

Du hast ja schon ein paar nette Stories erlebt - whow!
Und das mit SRV und seiner Gitarre ist natürlich der Ober-Hammer!
Erinnert mich an das Lied "The day I played John Lennons guitar" (das sonst aber stinklangweilig ist)...

Ich hatte auch mal eine Begegnung, die ich hier zum Besten geben will:
September 1980, ich war von der New York aus quer durch Kanada, Alaska, Vancouver Island getrampt. Auf dem Weg nach Kalifornien blieb ich ca. 2 Wochen in Seattle.
Die Dame des Hauses, bei der ich wohnte war der Typ "Italienisch aussehende Mama, die sich etwas zu sehr hat gehen lassen" und lief fast den ganzen Tag im Bademantel herum.
Allerdings hatte sie eine super Stimme. Ihren Lover, einen Drummer namens Greg hatte sie schwer unter der Fuchtel, doch eigentlich war sie ja ganz nett und ab und zu jammten wir zusammen in dem kleinen Proberaum im Keller. Sie hatte auch schon eine Platte gemacht, die ihren Vornamen trug, nämlich "Heidi".
Ca. 2 Jahre später hörte ich in Deutschland ein Radio-Interview mit einer (noch unbekannten) Sängerin und dachte - hey, die Stimme kenn´ich doch...!
Ja, tatsächlich es war "Heidi" aus Seattle, die gerade hierzulande unter dem Namen "Jennifer Rush" Karriere machte!
 
Tomcat":1zaartgb schrieb:
Wer war denn 1984 der dritte Mann bei Double Trouble? Mit Reese Wynans war erst ab 1985 ein Keyboarder dabei...

wenn ich's recht erinnere, hatten die den in Holland aufgegabelt und in D mitgeschleppt, weil der ne echte, alte Hammond B3 hatte.
Ein Fernsehauftritt, den sie am Abend (oder zwei tage?) vorher in München hatten ist da vielleicht noch aufschlussreich, wenn man sowas aus nem Archiv abrufen könnte.
Aber ich überlege ja selbst gerade, ob ich mich im Jahr geirrt habe. Obwohl ...im Spätommer 85 war ich ja mit meiner Frau schon in den Phillippinen.

Grübel""""
 
Ich habe gestern nach 12 Jahren wieder einmal 'Couldnt Stand the Weather' gehört, die Reissue mit den Bonustracks. Der schiere Wahnsinn wie gut diese Band war!
Come On (Part soundsoviel) hat mir glatt die Schuhe ausgezogen. Ich bin sehr froh nach eineiger Orientierungszeit wieder in Stratingen wohne ;-)
 
Ich beneide dich für diese Erfahrung! Von sowas träumen viele Gitarristen, und dann noch SRV - dafür würde ich Vai und Satriani stehen lassen....

Billie G. allerdings nicht!



Frizze :top:
 
Hallo,
an dem Tag wo ich SRV das erste mal hätte live erleben können ist er leider gestorben. Traurige Sache, ich war in Chicago im Bluesclub von Buddy Guy und er sagte bei seinem Gig das nachher noch ein Special guest vorbeikommt. Es wurde später und später und niemand besonderes kam.
Am nächsten morgen hörte ich Radio und erfuhr das SRV auf dem Weg nach Chicago abgestürzt sei. Traurig aber leider wahr.
Grüße, Jochen
 
Super Erlebnis !

Dann berichte ich auch mal von einer Begegnung der besonderen Art. War zwar nicht so spektakulär, aber komisch.

Wir waren in einem Jugendheim in Dortmund um Popa Chubby zu lauschen.
Das Publikum war vom Alter her bunt gemischt und einige beleibte Männer passten ihre Gardrobe dem Künstler an und hatten sich zum Teil sogar die Frisur von Popa für das Konzert verpassen lassen (Glatze bis auf eine Tolle über der Stirn).
Das Vorprogramm war die Paul Camilleri Band. Paul, so hieß der Bandleader glaub ich, sagte den letzten Titel an und meine Blase machte sich aufgrund akuter Überfüllung bemerkbar.
Da der Laden doch recht voll war, dachte ich der Zeitpunkt sei jetzt günstig die Wasserspiele zu besuchen. Band spielt noch, also Pott leer.
Ich schob mich hinter einen breiten Typen, der sich als Popa Chubby verkleidet seinen Weg durchs Publikum Richtung Ausgang bahnte.
Kurz vorm Ausgang bog er plötzlich nach links ab, streckte seine Linke aus und die Toilettentür flog auf, krachte gegen die gekachelte Wand und flog fast aus den Angeln. Ich dachte :"Man, was`n Proll!" und folgte dem Typen mit gemischten Gefühlen aufs stille Örtchen.
Ich stellte mich ans Becken und riskierte einen Blick nach links. Die kritische Masse, in etwa so groß wie ich aber 4 X so breit, steht gut einen knappen Meter vor seinem Becken, mit der Linken stützt er sich an der Wand ab und versucht über seine Fettschürze schielend ins Urinal zu zielen. Ich guck schnell weg und gleich wieder hin,
das is doch..., ne kann nich sein, doch er isses, oder doch nich?
Da fängt der Dicke an zu stöhnen und erzählt in breitem Englisch er hätte gestern im Hotel ne Frau kennengelernt und jetz brennts beim Pinkeln.
"I`m pissing with Popa!!" entfuhr es mir leise, aber laut genug dess er es hören konnte. Er lachte laut auf, hörte aber gleich wieder damit auf als ich ihn fragte was denn Galea, seine Frau, dazu sagen würde.
Genau wie er den gekachelten Saal betrat, verließ er ihn recht polterig.
Nach dem Gig trafen wir ihn zusammen mit seinem Drummer an der Theke. Dort tranken wir augenzwinkernd noch ein Bierchen und bekamen ein Tourposter mit den Autogrammen der Beiden.
War ein gelungener Abend.
Gruß DotTotte
 
:top:

Das wär ja mal ein Paar.
Nach dem Meeting hat er bestimmt den Titel Nobody loves me like I love myself geschrieben.
Ich stell mir die beiden gerade auf der Bühne vor... und muß den Monitor
mal eben abwischen.
Gruß DotTotte
 

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