Brutus

Hersteller
Cicognani
Baujahr
2008
Einiges „alltägliches“ aber auch mittlerweile seltenes oder auch selbstgebautes an Amp-Technik besaß und besitze ich ja schon, aber immer wieder muß mal Neues her und dafür anderes gehen. Und wieder hatte ich einen Selbstbau im Sinn, um mir einen Amp mit meinem Lieblingsendstufenkonzept, welches ich in meiner aktiven HiFi-Zeit schätzen gelernt hatte, zu bauen - einen Amp mit meiner \"Clean-Machine\" und \"Dirty Dirdy\" als moderne Röhrenvorstufen und einer variable bestückbaren Single-End- Endstufe.
Während eines Gespräches unter Kollegen bzw. Freunden über das Thema wurde ich dann auf den Cicognani \"Brutus\" aufmerksam gemacht. Der arbeitet zwar nicht mit meinen Preamps, aber ansonsten genauso wie ich es selbst auch angedacht hatte.

Also war ich neugierig und habe ich ihn mir bestellt.
Nun bin ich Besitzer des ersten Brutus, der wohl offiziell über den deutschen Vertrieb in Deutschland verkauft wurde - also genau jenes Gerät welches als Probant für den Testbericht in der aktuellen G&B (10/2008) herhalten durfte!

Hier noch mal kurz die Eckdaten:
- zwei Preampsektionen (Clean und Lead) mit jeweils Gain- und Volume-Reglern
- eine gemeinsam wirkende Klangregelung
- eine Single-End Endstufe
- 4, 8 und 16 Ohm Ausgang
- serieller Effekt Send-/Return
- Slave-Out
- Switchbuchse für Kanalumschaltung
- werksmäßige Röhrenbestückung: 4 x 12AX7, 1 x 5881/6L6
- mit Werksbestückung ca. 11Watt RMS (die aber viel lauter erscheinen)

Der Grundcharakter der „cleanen“ Vorstufe lässt sich noch einmal per Minischalter tendenziell beeinflussen, wobei hier zwischen „clean“, „crunch“ und „sexy“ unterschieden wird. Gain und Volumen beeinflussen dann den Sound gehörig und man kann sehr differenziert einstellen, wieviel Verstärkungs- bzw. Zerr-Anteil aus der Vorstufe bzw. aus der Endstufe kommen soll.
Das gleiche gilt dann auch für den Lead-Kanal, bei dem man per Minischalter zwei Grundcharakteristiken anwählen kann. Lead1 ist eher für für kernige Riffs mit viel Gain gedacht, der relativ direkt reagiert. Die Töne „ebben“ hierbei relativ schnell ab. Der Lead2 hingegen komprimiert sehr stark und erzeugt nahezu unendliches Sustain und Obertöne. Gain und Volumen arbeiten analog wie beim Clean-Kanal.

Durch den Aufbau einer Single-End-Endstufe (Eintakt Class-A) ist ein AutoBias quasi obligatorisch mit „eingebaut“. Somit ist es möglich, alle Röhren mit Oktalsockel und äquivalenter Beschaltung zur 6L6 einzusetzen. Einzige Voraussetzung – sie müssen eine Anodenspannung von 470V vertragen! Somit kommen alle 6L6 Typen, EL34/6CA7, 5881, 6550, KT66, KT88, KT90, KT94, KT100 usw. in Frage. Entgegen der Behauptung im G&B Testbericht gibt es doch eine 6V6 Röhre, die eine Anodenspannung bis 500V verträgt. Sie wird von JJ-electronic hergestellt und trägt die Bezeichnung 6V6S. Ich habe sie mir jetzt auch mal nachgeordert ;-)
Je nach verwendeter Röhre sind aus dem Amp bis zu ca. 16,5 Watt rauszuholen.

Verschiedenste End-Röhren haben wir nun schon im Proberaum durchgetestet und direkt mit immer gleichen Einstellungen verglichen: Klangregler neutral (alles mittig), Gain auf 9 Uhr, Volumen auf 3 Uhr (i.d.R. war das die Kippschwelle zur Endstufenzerre).
Es ist unglaublich, wie sich der Sound sowie der erzeugte Druck durch die verschiedenen Röhren verändert. Am deutlichsten ist der Soundunterschied natürlich im Clean-Kanal. Meine Favoriten sind derzeit eine 6L6GC cook-bottle, eine „Gold Lion“-KT66 sowie eine NOS KT100 (entspricht einer KT88, klingt aber oben herum runder und hat untenherum mehr Druck). Die KT66 ist mit Abstand der Favorit, wenn der Focus auf cleane bzw. semicleane Sounds liegt, die KT100 eher dann, wenn mehr gerockt werden soll. Einzige bittere Pille, beim Betreiben einer KT66 läßt sich die Abdeckhaube nicht mehr montieren. Es fehlen mit Sicherheitsabstand ungefähr 10mm an lichter Höhe. Mal sehen, wie sich Cicognani zu meiner email diesbezüglich äußern wird ;-)

Aber auch in der Vorstufe ist durch Röhrenwechsel noch einiges zu machen. Allein der Tausch der ersten Eingangsröhre brachte sofort eine deutliche Ver(besser)änderung ;-)
Dort werkelt jetzt eine „Golden Dragon“ E83CC (longlife) mit Goldkontakten und etwas größerem Glaskörper, einem Überbleibsel aus meiner aktiven „HiFi-Zeit“. An den anderen Stellen kann man durch Variation mit 12AX7 und 12AT7 sicherlich auch noch in die eine oder andere klangliche Richtung „biegen“. Das ist dann aber alles Feintuning - vielleicht später mal.
Der Abschirmbecher der ersten Röhre brachte keine Veränderung oder Verbesserung bzgl. Brummeinstreuungen oder Störeinflüsse, deshalb habe ich ihn erst einmal der Optik wegen entfernt, aber dazu mehr weiter unten.

Parallel zu meinem Amp hatte ich auch gleich noch die Möglichkeit, den großen Bruder \"Brutus Live\" mit zwei parallelgeschalteten Endröhren (ansonsten bis auf zwei zusätzliche Gimmicks gleicher Aufbau) anzutesten. Der leistet mit Werksbestückung ca. 28 Watt.
Nur soviel dazu: dieser setzt zumindest im Clean-Kanal aufgrund der nahezu doppelten Leistung im Bezug auf Durchsichtigkeit und Durchsetzungskraft noch mal einen oben drauf, ohne dabei aber wirklich an Headroom zu gewinnen. Man hört also deutlich dass es lauter wird, verspricht sich aber aufgrund der Leistungsangabe eigentlich mehr. Tja, das ist eben Elektroakustik: doppelte Lautstärke => brauchst Du 10fache Leistung oder anders herum 3dB Lautstärkeunterschied sind eben auch schon wahrnehmbar.
Im Drive/Lead-Kanal hingegen waren kaum Unterschiede zu meinem Brutus zu hören.

Für beide Amps wird die gleiche Platine benutzt, d.h. man kann rein theoretisch mit relativ wenig Aufwand einen \"Brutus\" zum \"Brutus Live\" hochrüsten. Einziger Pferdefuß: Der Ausgangsübertrager muß dann auch ausgetauscht werden. Für diesen Fall kann man dann m.M. doch eher die Mehrkosten in Kauf nehmen und gleich die größere Variante kaufen.
Aber ich habe die zwei zusätzlichen Gimmicks die der „Live“ bietet bei mir nachgerüstet.
Zum einen reine Optik: Die Röhren des \"Live\" sind von unten (vom Sockel her) mit LEDs dezent blau beleuchtet. Das gibt dem Ganzen einen gewissen Edel-Touch. Also habe ich die LEDs samt entsprechender Vorwiderstände nachgerüstet. Da allerdings heute alles blau leuchtet, habe ich mich für „orange“ entschieden, was zum einen die äußeren Optik unterstreicht als auch dem natürlichen Glühen der Röhren mehr entspricht.
Zum anderen verfügt der „Brutus Live“ über eine Umschaltmöglichkeit, um den Effekteinschleifweg seriell oder parallel zu betrieben. Das Nachzurüsten bedeutet: eine Brücke entfernen, zwei zusätzliche Widerstände einlöten und einen Kippschalter Schalter zu montieren und anzuschließen. Die Lötarbeiten sind absolut kein Problem sofern man einen vernünftigen Elektronik-Lötkolben sein Eigen nennt, ein Baumarkt-„Brateisen“ ist definitiv nicht geeignet. Für das Loch im Gehäuse für den Schalter sollte man allerdings schon genau messen und bohren können, sofern man einen dem Original entsprechenden Schalter nachrüsten will. Dieses Gimmick ist allerdings eine wirkliche Bereicherung, die den Amp noch einmal deutlich aufwertet. Warum das nicht gleich bei dem kleinen Modell mit angeboten wird, will sich mir ob des geringen Mehraufwandes nicht erschließen zumal man nur noch eine Sorte „Rückwand“ lagernd halten müßte.

Für detailiertere Infos bitte ich, den Testbericht in der G&B 10/2008 lesen oder einfach per PN nachzufragen.

PS: Die beiden Fußpedale für die Kanalumschaltung habe ich selbst gebaut, die werden so nicht von Cicognani angeboten ;-)

Update im Februar 2010:
Für eine lifetaugliche Bedienung habe ich den Amp ein wenig erweitert. Nun sind die Minischalter für die Soundcharakteritik der Kanäle auch \"fußbedienbar\".
Hier geht es zur Beschreibung fürs Modding: http://www.guitarworld.de/forum/cicognani-brutus-jetzt-fernbedienbar-t24219.html

Update Februar 2015:
Sperriges Case zum sporadischen Amptransport ist doof - das nimmt i.d.R. nur Platz weg.
Also wird der Brutus in ein speziell gebautes Case verbannt. d.h. Gehäusefüße vom Amp abschrauben, Amp ins Case schieben, Füßen durch das Case wieder anschrauben - fertig!

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Hi Bernd,
schöner Bericht von dir hier an dieser Stelle. Also hübsch finde ich den Amp nicht, aber wichtiger ist wohl was vorn rauskommt!
Vielleicht ergibt sich ja aber mal die Möglichkeit anzutesten ;-)
 
Hi maggy,
ist natürlich alles wie immer Geschmackssache. Wie eine Bühnensau sieht er wohl nicht aus.
Er sieht eher so aus, wie es sein vielfältiges Einsatzgebiet eigentlich vorgibt: ein Experimental-Amp und Spielwiese für Soundgourmets ;-)
 

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