Instrumentenkabel: Aus 'Alt' mach 'Besser'

DerOnkel

Power-User
26 Nov 2004
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Ellerau
1. Einleitung

Jeder elektronische Musiker hat es in mehrfacher Ausfertigung in seinem Koffer: Das Instrumentenkabel. Als Bindeglied zwischen Instrument und Verstärker stellt es einen wichtigen Teil der Klangübertragungskette dar, welches durchaus massiv in die Klangformung oder -färbung eingreifen kann.

Interessanterweise gehen die Musiker mit dieser Tatsache sehr unterschiedlich um. Der eine kümmert sich schlicht und ergreifend nicht um diese Eigenschaften und schiebt, wider besseren Wissens, die daraus resultierenden Klangveränderungen fleißig Gitarre, Tonabnehmer oder Verstärker in die Schuhe. Der andere macht daraus eine Pseudowissenschaft und kauft fast blind die teuersten Kabel die es gibt, weil sie laut Herstellerangaben ja diese oder jene einmalige Verbesserung aufweisen.

Gerade bei Kabeln für Elektrogitarren scheint ein ähnlicher Voodoo wie bei den Tonabnehmern zu herrschen. Wer sich mit Sachverstand die Angaben der Hersteller ansieht, wird schnell den Kopf schütteln, besonders wenn man sich dann die dazugehörenden Preise ansieht!

Worauf man bei Kabeln achten soll oder muß und was man besser ignoriert, wird Gegenstand eines anderen Artikels sein. Hier geht es lediglich um die Verbesserung eines fertig konfektionierten Kabels.

2. Der Delinquent und die Lösung

Mitte der 90er Jahre erwarb ich bei Amptown, damals noch in Hamburg-Wandsbek, meinen JCM-600. Da meine Instrumentenkabel ein ziemliches Sammelsurium waren, machte ich den ganzen Schritt und legte ein fertiges Kabel von Klotz dazu. 5m für 30 Mark (glaube ich). "Bei dem Namen und dem Preis kann man wohl nichts verkehrt machen!", so dachte ich.

Doch schon nach einem Jahr tauchten die ersten Probleme auf: Es krachte und knackte, wenn man das Kabel einsteckte. Nun gut, das ist ja nichts ungewöhnliches. Also steckt man das Kabel als erstes und schaltet dann den Verstärker ein. Mit diesem Workaround lebt nicht nur der Onkel schon sehr lange. "Geht doch!" wird man dann sagen und ist irgendwie zufrieden. Schließlich ist Geiz ja auch Geil, gell!

Unlängst hielt mir unser Schlagzeuger eine Anzeige unter die Nase: "Hier, sowas mußt Du Dir mal kaufen, dann ist das ewige Krachen endlich weg!"

NeutrikSilentPlug.jpg

Bild 1: Aufbau des "Silent Plug" von Neutrik

"Aha!", dachte sich der Onkel. So neu sind Klinkenstecker mit Schalter eigentlich nicht. Es gibt sie schon seit den 70er Jahren. Das Prinzip ist bestechend: Der eigentliche elektrische Kontakt wird erst dann freigegeben, wenn der Stecker sich mechanisch in der Buchse befindet. Der Stift des dazu notwendige Schalters oder besser gesagt Tasters, wird dann in das Gehäuse des Steckers gedrückt und öffnet einen Kontakt. Diese Stecker kann man tatsächlich mit dem Instrument verbinden, ohne das es ein Gewitter im Lautsprecher gibt, weil man die Spitze des Steckers berührt. Die Erklärung für dieses Verhalten ist ganz einfach:

Der Taster schließt die beiden Adern der Signalleitung ("Heiß" und Masse) kurz. Dadurch "schweigt" der Verstärker, auch wenn man die Spitze des Steckers berührt. Befindet sich der Stecker in der Buchse, so ist der Kontakt geöffnet und der Kurzschluß aufgehoben.

Leider hatten diese Art der Klinkenstecker immer ein kleines Lebensdauerproblem: Der Taster selber war, ob seiner Größe, mechanisch nicht besonders stabil und auch die Kontakte nutzen relativ schnell ab. So war der Einsatz eines solchen Steckers häufig ein teures aber kurzes Vergnügen. Ich habe sie nie verwendet!

Die neuen Silent Plugs von Neutrik sind grundsätzlich nichts anderes. Allerdings wird hier ein Reed-Kontakt verwendet, der Spitze (engl. Tip) und Schaft (engl. Sleeve) in Ruhelage kurzschließt und durch einen ringförmigen Magneten geschaltet wird. Dieser befindet sich in einem auf dem Stecker sitzenden Ring und wird beim Hineinstecken vom Reed-Kontakt weggeschoben, der daraufhin öffnet. Das ganze ist mechanisch relativ einfach und verspricht eine lange Lebensdauer. Neutrik gibt selber eine Lebensdauer von mindestens 1000 Steckzyklen an.

Ein Reed-Kontakt ist eine besondere Art von Magnetschalter. Die Funktionsweise zeigt die folgende Animation, die einem Beitrag aus Wikipedia entnommen wurde.

Reed-relais-ani.gif

Bild 2: Funktionsweise eines Reed-Kontaktes

Die Kontakte werden unter Vakuum oder Schutzgas in einen Glaskolben eingeschmolzen. Aufgrund dieser Tatsache ist eine Oxidation oder eine anderweitige Verschmutzung der Schaltkontakte nicht mehr möglich. Dadurch erreicht man einen über lange Zeit konstanten Kontaktwiderstand von nur wenigen Milliohm. Der Kontakt im Silent Plug soll laut Hersteller eine Lebensdauer von mindestens 10000 Schaltzyklen haben.

3. "Alt" gegen "Neu"

Unlängst trieb sich der Onkel mal wieder im Internet herum, da fiel ihm zufällig so ein Silent Plug vor die Füsse. Einen Tag später lagen zwei dieser Stecker, zusammen mit dem alte Klotz-Kabel, auf seinem Tisch und der Lötkolben wurde langsam heiß. Schon nach wenigen Minuten war der erste Stecker ausgewechselt. Hier das Ergebnis:

SteckerAltundNeu01.jpg

Bild 3: Der Neue und der Alte an des Onkels Kabel

Man erkennt es auf den ersten Blick, auch ohne 4 Jahre Elektrotechnik studiert zu haben: Der Neutrik macht einen deutlich wertigeren Eindruck. Vergleichen wir einmal die beiden Steckertypen anhand ihres Innenlebens:

SteckerAltundNeu02.jpg

Bild 4: Neue und Alte von Innen

Tatsächlich hat Klotz auf seinem guten Kabel zwei billige "low budget plugs" verwendet. Vergleichbare Stecker erhält man heute zum Beispiel schon für 31 Cent bei Reichelt Elektronik. Aber auch wesentlich teurere Stecker sind da häufig nicht besser!

In der Regel funktionieren auch die billigen Stecker... zunächst. Allerdings setzt schon bald der Verschleiß ein, der damit beginnt, daß auf der Oberfläche des Steckers Kratzer entstehen, die dann zu Kontaktproblemen führen. Eine gute und vor allen Dingen auch dauerhaft leitfähige Beschichtung der Oberfläche ist nicht umsonst etwas teurer.

Ein schwerwiegendes Problem besteht in der Konstruktion des Steckers: Die Spitze wird durch einen kleinen Ring aus Kunststoff vom Schaft getrennt. Beide Ringe sitzen auf einer Art Nagel, der in die Spitze gepresst wird. Unter den "Kopf" des Nagels wird dann eine Lötfahne befestigt. Das nächste Bild zeigt den schematischen Aufbau:

PlugSchematic.gif

Bild 5: Shematischer Aufbau eines billigen Klinkensteckers

Wie so ein Stecker dann in der Praxis von Hinten aussieht, zeigt das folgende Bild. Hier ist der "Nagelkopf" für den Anschluß des "Tip" deutlich zu erkennen.

SteckerLowBudget.jpg

Bild 6: Der Schwachpunkt des "low budget plugs"

Grundsätzlich hält das ganze fest zusammen, aber schon beim Lötvorgang kann es damit zu Ende sein! Wenn man nämlich zu lange und mit zu hoher Temperatur lötet, so wandert die Hitze auch in die Spitze. Dabei kann dann der Kunststoffring anschmelzen und sich verformen. Wenn man Pech hat, ist es dann mit dem festen Halt vorbei und man kann die Spitze drehen. Wie es danach um den elektrischen Kontakt bestellt ist, kann man sich leicht vorstellen. Er bewegt sich dann zwischen "geht" und "geht nicht". Besonders lustig wird es, wenn man den Stecker in der Buchse dreht. Wer Ärger mit seinem Tontechniker haben möchte, der dreht einfach eine Weile an einem solchen Stecker, während sein Amp auf Vollgas steht!

Weitere 2 Minuten später war auch der zweite Stecker ausgetauscht.

KabelNeu.jpg

Bild 7: Das alte Kabel in neuem Glanz

So hält das ganze für die nächste kleine Ewigkeit!

Fazit

Leider wird einem nur zu oft ein angeblich gutes Kabel verkauft, bei dem der Hersteller dann an den Steckern gespart hat, wie dieses Beispiel gut zeigt. Wer ein gutes Kabel für seine Gitarre benötigt, der sollte sehr aufmerksam die Stecker prüfen. Wie so häufig gilt auch hier: "Wer billig kauft, kauft zweimal!"

Stolze Besitzer eines Lötkolbens sollten zur Selbsthilfe schreiten, denn so schwer ist es nicht. Mit ein wenig Übung hat man aus Kabel und Steckern innerhalb von 10 Minuten eine Instrumentenkabel hergestellt, das sich mit käuflichen Fertigprodukten leicht messen kann, solange man auf eine ordentliche Qualität der Bauteile achtet und sauber arbeitet. Sehen wir uns einmal die Kosten an, wenn wir das Klotz-Kabel nachbauen:
  • 2 Klinkenstecker: 50 Cent
  • 5m Kabel Cordial CIK 122 a 65 Cent/m
Insgesamt kommen da 4,25 Euro zusammen, was nach alter Währung rund 8,50 DM wären! Na hoppla!

Jetzt machen wir unser Kabel etwas besser. Wir wählen ordentliche Stecker - hier von Neutrik - und beim Kabel sind wir auch nicht geizig:
  • 1 Klinkenstecker Neutrik NP2C-AU-SILENT: 6,50 Euro
  • 1 Klinkenstecker Neutrik NP2C BAG: 2,40 Euro
  • 5m Kabel Sommer The Spirit a 1,79 Euro/m
Macht Summasumarum 17,85 Euro, also rund 35 DM.

Für 23,90 Euro bekommt man schon ein fertiges Sommer-Kabel von 6m Länge. Der vergleichbare Selbstbau liegt bei 19,64 Euro und beinhaltet den Silent Plug!

Also, "Jetzt mach ich's mir selbst!", sollte das Motto sein.

Eine aktuelle und vollständige Version dieses Beitrages ist in der Knowledgebase der Guitar-Letter zu finden.

Ulf
 
Hi,

danke dir für diesen Artikel. Auch wenn mein Resumee anders ausfällt (Bei einer Preisdifferenz von EUR 5,- greif ich einen Lötkolben gar nicht mehr an)

Mein Frage ist jetzt:
Ich verwende seit etwa 20 Jahren die gleichen 2 Gitarrenkabel von Whirlwind (Bügeleisenkabel) und die machen noch immer keine Geräusche und Aussetzer.
Wird das Kabel im Klang trotzdem schlechter über die Zeit? Oder hab ich da einfach 2 gute Stücke erwischt? Vergleichen könnte ich jetzt nur wenn ich was neues kaufe was ich nur machen möchte wenn es Sinn hat.
Danke und Liebe Grüsse
Auge
 
auge":s8nxegfq schrieb:
Bei einer Preisdifferenz von EUR 5,- greif ich einen Lötkolben gar nicht mehr an
Das ist eindeutig eine Frage der persönlichen Präferenz. Wenn ich 6m haben möchte und ich bekomme die gewünschte Qualität fertig, dann ist auch bei mir die Entscheidung klar.

Der Selbstbau gibt mir jedoch eine größere Flexibilität. Ich werde demnächst einige Kabel ersetzen. Die neuen Kabel werden dann so gewählt, daß ich unterschiedliche Längen (man braucht auf dem LKW-Hänger keine 10m) habe, die aber die gleiche Kapazität aufweisen. Damit hätte ich dann bei passiven Gitarren keine Klangunterschiede.

auge":s8nxegfq schrieb:
Ich verwende seit etwa 20 Jahren die gleichen 2 Gitarrenkabel von Whirlwind (Bügeleisenkabel) und die machen noch immer keine Geräusche und Aussetzer.
Wird das Kabel im Klang trotzdem schlechter über die Zeit? Oder hab ich da einfach 2 gute Stücke erwischt? Vergleichen könnte ich jetzt nur wenn ich was neues kaufe was ich nur machen möchte wenn es Sinn hat.
Wenn man ein Kabel gut und sachgerecht behandelt, wird es eigentlich nicht "schlechter". Ein Problem entsteht immer dann, wenn ein Kabel mechanisch überlastet wird. In solchen Fällen leidet meisten die Abschirmung und dann Rauscht, Brummt, ... es eben mehr.

Die wichtigste Kenngröße für ein Instrumentenkabel im Audiobereich (hier Elektrogitarre) ist der sogenannte Kapazitätsbelag. Dieser reicht von 70pF/m bis 150pF/m. Zusammen mit der Länge des Kabels erhält man dann eine Kapazität, welche die Resonanzfrequenz des Tonabnehmers verändert. Also anderes Kabel, anderer Sound!

Details zur Wirkung einer kapazitiven Belastung sind in Guitar-Letter II zu finden.
 
Hogans spruch passt hier.. DerOnkel knows best.. f*ck the rest :)
sorry.. aber das musste ich in dieser Form ausdrücken.
Bitte nicht wegen dem Spruch schlagen :oops:

mach weiter so!
gruß!
 
Eine im Bezug auf den Wildenburg'07-Kabeltest nicht unrelevante Frage:

Welchen Lötzinn hamma denn benutzt?

GERRIT
 
Vielen Dank für den guten Beitrag!

Mit Kabeln habe ich mich auch schon oft rumgeärgert.
Manche Leute fragen ob man noch ganz dicht ist, Kabel die pro Stück 50€ oder mehr kosten (in meinem Fall Horizon und Spectraflex).

Sie vergessen nur, dass sie sich jedes Jahr ein neues kaufen weils kracht und brummt - meine halten schon seit 2 Jahren ohne jegliche Verschleißerscheinungen (und "klingen" vielleicht sogar besser).

Und zum löten: So gut wie Leute, die das seit Jahren machen, bekommt man das eh nicht hin!

Grüße,
Roman
 
Lieber Ulf,

auch von mir an dieser Stelle mal ein dickes Dankeschön für deine immer wieder großartigen Beiträge.

grinz":1do0192f schrieb:
Und zum löten: So gut wie Leute, die das seit Jahren machen, bekommt man das eh nicht hin!

Da haben wir´s. Ich glaube, fast jeder hier hat einen Lötkolben zu Hause und benutzt ihn auch.

Richtiges Löten jedoch ist meiner Meinung nach doch ein recht anspruchsvoller Job.

Kannst du uns da nicht vielleicht mal mit einem Fachbeitrag auf die Sprünge helfen?

Kann man "richtige Löttechnik" überhaupt in schriftlicher Form vermitteln?

Sag doch bitte mal etwas dazu.

Danke

Tom
 
Hallo, "Kann man "richtige Löttechnik" überhaupt in schriftlicher Form vermitteln? "
Ja, man kann für Anfänger (Azubis z.B.) eine Arbeitsanweisung erarbeiten,
muss man auch, wenn man ISO zertifiziert werden will - jedes Jahr neu.
Dann kommt die Praxis und das Stück Papier wird schnell nutzlos.
Unsere Leute brauchen zwischen zwei Wochen und zwei Monaten, dann
sind sie noch nicht perfekt, aber es ist alles so wie es sein soll.
Ein perfekter Löter braucht für eine Lötstelle unter 1s und lötet aber nicht
den ganzen Arbeitstag, sondern es gehört zum normalen Ablauf dazu.

Zum Lötzinn : an Kabeln und Steckern gibt es keinen Grund bleifrei zu löten.
Spart euch das Geld und lötet mit 63 SN 36,5 Pb 0,5 Ag - mache ich seit 20 Jahren so.
...vorher auch, aber ohne Ag...
V.H.
 
V.H.":xt6fcd8m schrieb:
Zum Lötzinn : an Kabeln und Steckern gibt es keinen Grund bleifrei zu löten. Spart euch das Geld und lötet mit 63 SN 36,5 Pb 0,5 Ag - mache ich seit 20 Jahren so.

Interessant ...

Das ist wenigstens mal - danke oh Herr - eine Antwort. Ich löte mit Lot,
das zu ca. 60% aus Silber besteht. Testhalber mal ein paar Stäbe
"Lötsilber/zinn" bestellt und mal drauflos gelötet.

Das Ergebnis überzeugt. Aber wir, eher ich schweife(n) ab. Back 2 Topic.
 
grinz":3exy79su schrieb:
Und zum löten: So gut wie Leute, die das seit Jahren machen, bekommt man das eh nicht hin!


Hmmm...

ich habe mir vor gut 4 Jahren ein par Sommercable The Spirit mit Neutriks bestückt. Halten bis heute und klingen hervorragend.

Damals wusste ich gerade so eben wie rum man den Lötkolben hält (nicht das das heute so anders wäre).

Ich denke Kabel kann man mit etwas Konzentration sehr gut selber löten.

nen schönen Gruß und gute Nacht,
Matthias
 
Hey Matthias,
klar kann man die gut selber löten.
Meine selbstgemachten Patchkabel halten auch - die Lötstellen sind aber nicht so schön wie bei professionellen Kabeln.
Das meinte ich primär damit :) .
 
Interessant ...

Das ist wenigstens mal - danke oh Herr - eine Antwort. Ich löte mit Lot,
das zu ca. 60% aus Silber besteht. Testhalber mal ein paar Stäbe
"Lötsilber/zinn" bestellt und mal drauflos gelötet.

Hallo, Silber hat einen Schmelzpunkt über 900 C .
Womit, mit welcher Legierung und welcher Temperatur, lötest du ?
Was kostet eine Lötstelle.... Nein, so nicht.
Gerrit, lies noch mal nach.
V.H.
 
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