doc guitarworld
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- 17 Jan 2002
-
- 7.869
- 5
- 5
Folgender Newsletterbeitrag hat mich eben erreicht, ich wollte Euch das nicht vorenthalten ...:
1.) Momentan kursiert in der Szene ein offener Brief von einem unbekannten
Author mit Namen Soundjunkie. Da der Author in seinem Postscriptum um
öffentliche Aufmerksamkeit bittet, wollen wir dem gerne Nachkommen und
seinen offenen Brief hier ungekürzt im Originalwortlaut veröffentlichen!
Offener Brief an info@universal-kopierschutz.de von soundjunkie
Liebe Kopierschuetzer der Universal,
die Ihr hier von mir stellvertretend fuer andere Hueter des Rechts am
digitalen Klangeigentum angeschrieben werdet: Ihr habt sicherlich nicht
erwartet, dass diese Mailadresse fuer Begeisterungsausbrueche genutzt wird.
Warum soll man es auch als Fortschritt empfinden, seine Lieblingsband nicht
mehr ohne Qualitaetseinbussen im Player seiner Wahl hoeren zu koennen ?
Das geschieht selbstverstaendlich in der edlen Absicht, die Interessen Eurer
Kuenstler zu schuetzen - eine Tradition der Musikindustrie, fuer die
besonders die Majors geschaetzt werden. Ich bin geradezu dankbar dafuer,
dass der Universal- Kopierschutz ueberhaupt das Abspielen des kostspieligen
Silberlings am Computer erlaubt.
Ich weiss, Ihr geht durch harte Zeiten. Umsaetze brechen weg, der
Mutterkonzern taumelt. Die Labels werden neu strukturiert und manche haben
den Umzug nach Berlin noch nicht verkraftet. Da troestet auch der
wunderschoene Blick ueber die Spree nicht, den Ihr aus Eurem schicken
Wasserpalast geniessen koennt. Gestattet mir trotzdem, den Stolz auf Euer
hauptstaedtisches Firmendomizil mit Euch zu teilen - schliesslich habe ich
jahrelang etwas dazugegeben.
Um mit Heine zu sprechen: Ich fuerchte, ich gleite aus dem suessen Gewaesser
des Lobes unversehens ins bittere Meer des Tadels. Verbale Entgleisungen
bitte ich a priori zu entschuldigen - Musik ist nun mal ein emotionsgeladene
Angelegenheit.
Mein Vorwurf lautet, dass das Lamento um CD-Brenner und
Internettauschboersen lediglich ein Vorwand ist, um schlussendlich das Recht
auf die private Kopie grundsaetzlich auszuhebeln. "Pay-per-listen" - das ist
Euer Wunschtraum: Jeder Abspielvorgang kostet ein paar Microcent und nach
vier Wochen muss die Basislizenz erneuert werden. Die Kundenabspeisung
funktioniert vertriebskostensenkend ueber das Internet, waehrend der Preis
pro Song sich nur unwesentlich vom anteiligen Verkaufspreis eines
Longplayers unterscheidet. Die tauben Tekknokids koennen den Frequenzgang
verlustbehafteter Kompressionsverfahren sowieso nicht von der ohnehin
eingeschraenkten Samplingqualitaet einer CD unterscheiden. Die Kroenung des
Ganzen waere dann eine Copyright Taskforce a la Zollfahndung, die spontan
Festplatten und mobile Abspielgeraete nach Tracks ohne Wasserzeichen
durchkaemmen darf. Soweit die Unterstellung.
In Wirklichkeit ist die Krise der Musikindustrie hausgemacht und hat mit
Hobbybrennern und Netztauschern wenig zu tun. Um es kurz zu machen: Ihr
produziert seit Jahren zuviel Schrott mit immer kuerzerer Halbwertszeit zu
steigenden Kosten. Massengeschmack statt Innovation, Hochglanz statt Inhalt,
Banalitaet statt Werte. Die Abspielgehilfen aus Funk und Fernsehen haben
ihre Programme stromlinienfoermig nach Euren Vorgaben angepasst und werden
mit Interviewreisen, Freiexemplaren und Backstage-Paessen bei Laune
gehalten. Eine inflationaere Schar von Musikmagazinen rezensiert noch den
letzten Schund, weil die betreffende Company Anzeigen gar das Cover bezahlt
hat.
Gleichzeitig werden von Euren mundfertigen, aber von Fachkenntnissen
gaenzlich unbelasteten Wichtigtuern Unsummen bei Produktion und Promotion
versenkt. Da werden Tagespauschalen an Tonstudios gezahlt, die laengst nicht
mehr marktueblich sind. Es werden suendhaft teure Videos gedreht, die keine
Station zeigen will. Mit der Giesskanne werden Promopaeckchen uebers Land
verspritzt; begleitet von kryptisch-feuilletonistischen Bandinfos, die
offensichtlich von Schuelerzeitungsredakteuren morgens nach dem Abi-Ball
verfasst wurden. Auf grosskotzig gebuchten Tourneen spielen enttaeuschte
Kuenstler vor leeren Hallen, verdienen sich gierige Catering-Unternehmen
eine goldene Nase, rollen Nightliner zu Mondpreisen und tummeln sich
zahllose Mitesser mit glaenzenden VIP-Kaertchen am Halsband.
Meist laesst sich Gott sei Dank der komplette Kostenblock vom Einkommen der
Kuenstler abziehen. Was aber, wenn man den Hungerleidern nichts mehr
abziehen kann, weil der ganze Zirkus floppt ? Nur drei Prozent aller Acts
verdienen fast hundert Prozent des Firmengewinns, wie wir wissen. Ist das
ein Marktgesetz oder ein Ausdruck von Unfaehigkeit ?
Nun also liegt Eure Antwort auf den ganzen Schlamassel auf meinem Tisch und
ich gebe zu, ich bin nicht amuesiert. Meine zentrale Musikstation ist mein
Computer. Wozu einen separaten CD-Spieler kaufen, wenn der Rechner das
Laufwerk gleich mitbringt ? Statt nach dem genuesslichen Auspacken das volle
Klangerlebniss ueber meine hart ersparten Edelboxen zu hoeren, werde ich
dazu genoetigt, einer unerwuenschten Software Zugriffsrechte auf meinem
Computer einzuraeumen. Was dann ertoent, sind herunterkomprimierte
Audiotracks in mp3-Qualitaet. Die originalen Wavefiles sind unzugaenglich.
Der lausig programmierte Software-Player schluckt selbst im Ruhezustand
fuenfmal mehr CPU-Leistung als der genuegsame Windows- Standardplayer.
Apple-Computer, bekanntermassen die Lieblingsgeraete von Musikern auf der
ganzen Welt, werden erst gar nicht unterstuetzt.
Werde ich dafuer in Zukunft 17 Euro ausgeben ?
Nein.
Ich fuehle mich bestraft von einer Branche, die ihre Hausaufgaben nicht
gemacht hat. Die reformunwillig und reaktionaer und deshalb in ihrer
jetzigen Form rechtmaessig zum Untergang verurteilt ist. Liebe Musikfreunde
in den Verwaltungsetagen der Plattenkonzerne: Falls Ihr es noch nicht
bemerkt habt - das Zeitalter der Dampfmaschine ist angebrochen. Segelschiffe
und Pferdefuhrwerke werden bald nur noch von Nostalgikern benutzt. Sogar das
gemeine Volk kann sich eine Fahrt mit der Eisenbahn leisten. Will heissen:
Segelflicker und Kutscher werden nicht mehr gebraucht.
Haette es mp3-Files und CD-Brenner nicht gegeben, haette ich meine
achtjaehrige Musikkonsum-Abstinenz nicht beendet. Weil formatierte
Radioprogramme laengst nicht mehr als Informationsquelle fuer neue Musik
dienen, haben Audiofiles und Kopien von Freunden meine Ohren wieder fuer
zeitgenoessische Popmusik geoeffnet. In den letzten vier Jahren habe ich so
viele Original-CDs angeschafft wie im ganzen vorhergehenden Lebensabschnitt
zusammen. Das war harte Arbeit. Meine Faustregel lautet: Eine Scheibe muss
mindestens 12 Tracks haben, von denen die Haelfte mehr als zweimal gehoert
werden kann. Wenn man dieser Regel folgt, kann man nur eine von zehn CDs
kaufen.
Wenn ich eine CD kaufe, stimme ich ab: Ich will meine Favoriten in den
Charts sehen, damit andere auf sie aufmerksam werden. Aus dem gleichen Grund
moechte ich Freunden unkompliziert eine Kopie brennen oder meiner
Stammkneipe eine Compilation basteln duerfen. Wenn sich dann nur ein
Zuhoerer das Original oder ein Konzertticket kauft, hat sich die Muehe
gelohnt. Auf die Art und Weise habe ich schon mehr Leute angefixt als jede
Streifenbandanzeige im Stadtmagazin. Ich bin ein Ein-Mann-Streetteam im
Auftrag des guten Geschmacks. Naja.
Was soll ich in Zukunft tun ? Einen CD-Brenner und ein Crackprogramm
beschaffen, das den Kopierschutz ignoriert ? Dateien grundsaetzlich aus dem
Netz ziehen ? Den Minidisk-Recorder an den Kopfhoererausgang im Plattenladen
anschliessen ? Neue Scheiben nicht mehr kaufen, alte dafuer kopieren ? Das
Radioprogramm auf Festplatte mitschneiden lassen und hinterher sortieren ?
Was auch immer ich davon waehle, Plattenfirmen und Kuenstler werden mich als
zahlenden Kunden verlieren.
Eine Armee schiesst in die falsche Richtung, weil der Generalstab keinen
Schlachtplan hat - hit by friendly fire. So werden aus Kollateralschaeden
ein Totalschaden. Die gewerbsmaessigen Piraten in Russland oder Asien, die
es immer gegeben hat, werdet Ihr damit nicht beeindrucken. Aber Ihr werdet
dafuer sorgen, dass Musik auf Schulhoefen und in Kinderzimmern noch weniger
zum Thema wird als ohnehin.
Eure Umsatzeinbrueche sind Zeitzeichen. Waehrend es Euch noch vor kurzem
praechtig ging, spuert Ihr nun die Wirkung von Rezession und Verunsicherung.
Zusaetzlich konkurrieren Unterhaltungsformen wie Computerspiele und Spass-/
Extremsportarten mit dem Musikhoeren. Funktelefone, Tattoos und
Markenklamotten kosten Geld. Bildung und Kultur verlottern pisamaessig, die
Aufmerksamkeitsspanne der Kids hat sich dramatisch verkuerzt. Drei Jahre
Gitarre lernen ? No way. Die Musikindustrie hat es vorgemacht: Sampling und
Recycling funktionieren praechtig, wozu fuer eigene Ideen schwitzen ? Wer
als Erwachsener die Charts beobachtet, fuehlt sich an seine Kindheit
erinnert. Coverversions von Elvis, den Bee Gees und Joan Jett loesen
einander ab; alte Helden wie Groenemeyer retten die EMI vorm Bankrott,
Stones und U2 spielen Rekordsummen ein, ein zipfelbaertiger Peter Gabriel
spielt altersmilde laechelnd Jungspunde an die Boxenwand. Der Gipfel der
Altstoffverwertung ist das aktuelle Cover vom
Lagerfeuerheuler "House Of The Rising Sun".
Eine Industrie mit Zukunft ? Schrumpft in Wuerde.
Soundjunkie
P.S. Ihr werdet mir nachsehen, dass ich meinen kleinen Aufsatz in
einschlaegigen Internetforen veroeffentliche. Auch ich bin nicht frei von
Eitelkeit und halte oeffentliche Aufmerksamkeit fuer den angemessenen Lohn
meiner aufgewendeten Zeit.
2.) "Die Musikwirtschaft wird das Internet nicht überleben! Auf diesem
Standpunkt ist Janko Röttgers, seines Zeichens freier Journalist und
Buchautor mit Wohnsitz in Los Angeles. Bekannt wurde er durch die
Veröffentlichung von Netzpiraten - die Kultur des elektronischen
Verbrechens im Jahre 2001. Sein neues Buch Mix, Burn & R.I.P. widmet sich
dem Entstehen wie auch dem Niedergang der etablierten Plattenbranche. Unter
anderem interviewte Röttgers zahlreiche Brancheninsider und Netzexperten in
Deutschland und den USA, darunter Smudo, Mark Cuban (Internetmillionär und
Besitzer der Dallas Mavericks) und Gerd Gebhardt (Vorsitzender des deutschen
Phonoverbandes) um nur einige zu nennen.
Das Buch widmet sich in der Hauptsache den Themen MP3, Tauschbörsen, den
Verkaufseinbrüchen und den Vorboten einer Krise, in der sich die Branche
offensichtlich befindet. In der Summe kommt ein Portrait über eine Industrie
heraus, welche kurz vor einem Umbruch, bzw. Neuanfang steht. Mix, Burn &
R.I.P. erscheint im Heinz Heise / Dpunkt Verlag und ist ab dem 12. August
erhältlich.
http://www.mixburnrip.de/ die Seite zum Buch mit täglich aktualisiertem
Weblog zum Ende der Musikindustrie
3.) Und kein Newsletter ohne Neuigkeiten von den Totengräbern der deutschen
Dance Szene der "Dance AG".
Momentan beratschlagen die Herren und Damen die Zusammenlegung der GDP und
der ODC sowie einen neuen von der Dance AG gesteuerten Promotionpools,
Originalzitat: "der Tipperpool wird weiterhin nach unseren Vorgaben
zusammengestellt!" Soviel schon mal zur Neutralität der zukünftigen ODC/GDP!
Da hier scheinbar ein Exclusicpool aufgebaut werden soll, der sämtliche
anderen Promtionservices überflüssig machen soll, freuen wir uns schon auf
die rechtlichen Auseinandersetzungen der Promotionservices bezüglich
Monopol, Kartellrecht oder z.B. ist die Vielfalt der Branche gefährdet? Das,
würde die EU Komission aber gar nicht gerne sehen! Harte Nüsse für die Gurus
der Szene!
Demnächst mehr!
1.) Momentan kursiert in der Szene ein offener Brief von einem unbekannten
Author mit Namen Soundjunkie. Da der Author in seinem Postscriptum um
öffentliche Aufmerksamkeit bittet, wollen wir dem gerne Nachkommen und
seinen offenen Brief hier ungekürzt im Originalwortlaut veröffentlichen!
Offener Brief an info@universal-kopierschutz.de von soundjunkie
Liebe Kopierschuetzer der Universal,
die Ihr hier von mir stellvertretend fuer andere Hueter des Rechts am
digitalen Klangeigentum angeschrieben werdet: Ihr habt sicherlich nicht
erwartet, dass diese Mailadresse fuer Begeisterungsausbrueche genutzt wird.
Warum soll man es auch als Fortschritt empfinden, seine Lieblingsband nicht
mehr ohne Qualitaetseinbussen im Player seiner Wahl hoeren zu koennen ?
Das geschieht selbstverstaendlich in der edlen Absicht, die Interessen Eurer
Kuenstler zu schuetzen - eine Tradition der Musikindustrie, fuer die
besonders die Majors geschaetzt werden. Ich bin geradezu dankbar dafuer,
dass der Universal- Kopierschutz ueberhaupt das Abspielen des kostspieligen
Silberlings am Computer erlaubt.
Ich weiss, Ihr geht durch harte Zeiten. Umsaetze brechen weg, der
Mutterkonzern taumelt. Die Labels werden neu strukturiert und manche haben
den Umzug nach Berlin noch nicht verkraftet. Da troestet auch der
wunderschoene Blick ueber die Spree nicht, den Ihr aus Eurem schicken
Wasserpalast geniessen koennt. Gestattet mir trotzdem, den Stolz auf Euer
hauptstaedtisches Firmendomizil mit Euch zu teilen - schliesslich habe ich
jahrelang etwas dazugegeben.
Um mit Heine zu sprechen: Ich fuerchte, ich gleite aus dem suessen Gewaesser
des Lobes unversehens ins bittere Meer des Tadels. Verbale Entgleisungen
bitte ich a priori zu entschuldigen - Musik ist nun mal ein emotionsgeladene
Angelegenheit.
Mein Vorwurf lautet, dass das Lamento um CD-Brenner und
Internettauschboersen lediglich ein Vorwand ist, um schlussendlich das Recht
auf die private Kopie grundsaetzlich auszuhebeln. "Pay-per-listen" - das ist
Euer Wunschtraum: Jeder Abspielvorgang kostet ein paar Microcent und nach
vier Wochen muss die Basislizenz erneuert werden. Die Kundenabspeisung
funktioniert vertriebskostensenkend ueber das Internet, waehrend der Preis
pro Song sich nur unwesentlich vom anteiligen Verkaufspreis eines
Longplayers unterscheidet. Die tauben Tekknokids koennen den Frequenzgang
verlustbehafteter Kompressionsverfahren sowieso nicht von der ohnehin
eingeschraenkten Samplingqualitaet einer CD unterscheiden. Die Kroenung des
Ganzen waere dann eine Copyright Taskforce a la Zollfahndung, die spontan
Festplatten und mobile Abspielgeraete nach Tracks ohne Wasserzeichen
durchkaemmen darf. Soweit die Unterstellung.
In Wirklichkeit ist die Krise der Musikindustrie hausgemacht und hat mit
Hobbybrennern und Netztauschern wenig zu tun. Um es kurz zu machen: Ihr
produziert seit Jahren zuviel Schrott mit immer kuerzerer Halbwertszeit zu
steigenden Kosten. Massengeschmack statt Innovation, Hochglanz statt Inhalt,
Banalitaet statt Werte. Die Abspielgehilfen aus Funk und Fernsehen haben
ihre Programme stromlinienfoermig nach Euren Vorgaben angepasst und werden
mit Interviewreisen, Freiexemplaren und Backstage-Paessen bei Laune
gehalten. Eine inflationaere Schar von Musikmagazinen rezensiert noch den
letzten Schund, weil die betreffende Company Anzeigen gar das Cover bezahlt
hat.
Gleichzeitig werden von Euren mundfertigen, aber von Fachkenntnissen
gaenzlich unbelasteten Wichtigtuern Unsummen bei Produktion und Promotion
versenkt. Da werden Tagespauschalen an Tonstudios gezahlt, die laengst nicht
mehr marktueblich sind. Es werden suendhaft teure Videos gedreht, die keine
Station zeigen will. Mit der Giesskanne werden Promopaeckchen uebers Land
verspritzt; begleitet von kryptisch-feuilletonistischen Bandinfos, die
offensichtlich von Schuelerzeitungsredakteuren morgens nach dem Abi-Ball
verfasst wurden. Auf grosskotzig gebuchten Tourneen spielen enttaeuschte
Kuenstler vor leeren Hallen, verdienen sich gierige Catering-Unternehmen
eine goldene Nase, rollen Nightliner zu Mondpreisen und tummeln sich
zahllose Mitesser mit glaenzenden VIP-Kaertchen am Halsband.
Meist laesst sich Gott sei Dank der komplette Kostenblock vom Einkommen der
Kuenstler abziehen. Was aber, wenn man den Hungerleidern nichts mehr
abziehen kann, weil der ganze Zirkus floppt ? Nur drei Prozent aller Acts
verdienen fast hundert Prozent des Firmengewinns, wie wir wissen. Ist das
ein Marktgesetz oder ein Ausdruck von Unfaehigkeit ?
Nun also liegt Eure Antwort auf den ganzen Schlamassel auf meinem Tisch und
ich gebe zu, ich bin nicht amuesiert. Meine zentrale Musikstation ist mein
Computer. Wozu einen separaten CD-Spieler kaufen, wenn der Rechner das
Laufwerk gleich mitbringt ? Statt nach dem genuesslichen Auspacken das volle
Klangerlebniss ueber meine hart ersparten Edelboxen zu hoeren, werde ich
dazu genoetigt, einer unerwuenschten Software Zugriffsrechte auf meinem
Computer einzuraeumen. Was dann ertoent, sind herunterkomprimierte
Audiotracks in mp3-Qualitaet. Die originalen Wavefiles sind unzugaenglich.
Der lausig programmierte Software-Player schluckt selbst im Ruhezustand
fuenfmal mehr CPU-Leistung als der genuegsame Windows- Standardplayer.
Apple-Computer, bekanntermassen die Lieblingsgeraete von Musikern auf der
ganzen Welt, werden erst gar nicht unterstuetzt.
Werde ich dafuer in Zukunft 17 Euro ausgeben ?
Nein.
Ich fuehle mich bestraft von einer Branche, die ihre Hausaufgaben nicht
gemacht hat. Die reformunwillig und reaktionaer und deshalb in ihrer
jetzigen Form rechtmaessig zum Untergang verurteilt ist. Liebe Musikfreunde
in den Verwaltungsetagen der Plattenkonzerne: Falls Ihr es noch nicht
bemerkt habt - das Zeitalter der Dampfmaschine ist angebrochen. Segelschiffe
und Pferdefuhrwerke werden bald nur noch von Nostalgikern benutzt. Sogar das
gemeine Volk kann sich eine Fahrt mit der Eisenbahn leisten. Will heissen:
Segelflicker und Kutscher werden nicht mehr gebraucht.
Haette es mp3-Files und CD-Brenner nicht gegeben, haette ich meine
achtjaehrige Musikkonsum-Abstinenz nicht beendet. Weil formatierte
Radioprogramme laengst nicht mehr als Informationsquelle fuer neue Musik
dienen, haben Audiofiles und Kopien von Freunden meine Ohren wieder fuer
zeitgenoessische Popmusik geoeffnet. In den letzten vier Jahren habe ich so
viele Original-CDs angeschafft wie im ganzen vorhergehenden Lebensabschnitt
zusammen. Das war harte Arbeit. Meine Faustregel lautet: Eine Scheibe muss
mindestens 12 Tracks haben, von denen die Haelfte mehr als zweimal gehoert
werden kann. Wenn man dieser Regel folgt, kann man nur eine von zehn CDs
kaufen.
Wenn ich eine CD kaufe, stimme ich ab: Ich will meine Favoriten in den
Charts sehen, damit andere auf sie aufmerksam werden. Aus dem gleichen Grund
moechte ich Freunden unkompliziert eine Kopie brennen oder meiner
Stammkneipe eine Compilation basteln duerfen. Wenn sich dann nur ein
Zuhoerer das Original oder ein Konzertticket kauft, hat sich die Muehe
gelohnt. Auf die Art und Weise habe ich schon mehr Leute angefixt als jede
Streifenbandanzeige im Stadtmagazin. Ich bin ein Ein-Mann-Streetteam im
Auftrag des guten Geschmacks. Naja.
Was soll ich in Zukunft tun ? Einen CD-Brenner und ein Crackprogramm
beschaffen, das den Kopierschutz ignoriert ? Dateien grundsaetzlich aus dem
Netz ziehen ? Den Minidisk-Recorder an den Kopfhoererausgang im Plattenladen
anschliessen ? Neue Scheiben nicht mehr kaufen, alte dafuer kopieren ? Das
Radioprogramm auf Festplatte mitschneiden lassen und hinterher sortieren ?
Was auch immer ich davon waehle, Plattenfirmen und Kuenstler werden mich als
zahlenden Kunden verlieren.
Eine Armee schiesst in die falsche Richtung, weil der Generalstab keinen
Schlachtplan hat - hit by friendly fire. So werden aus Kollateralschaeden
ein Totalschaden. Die gewerbsmaessigen Piraten in Russland oder Asien, die
es immer gegeben hat, werdet Ihr damit nicht beeindrucken. Aber Ihr werdet
dafuer sorgen, dass Musik auf Schulhoefen und in Kinderzimmern noch weniger
zum Thema wird als ohnehin.
Eure Umsatzeinbrueche sind Zeitzeichen. Waehrend es Euch noch vor kurzem
praechtig ging, spuert Ihr nun die Wirkung von Rezession und Verunsicherung.
Zusaetzlich konkurrieren Unterhaltungsformen wie Computerspiele und Spass-/
Extremsportarten mit dem Musikhoeren. Funktelefone, Tattoos und
Markenklamotten kosten Geld. Bildung und Kultur verlottern pisamaessig, die
Aufmerksamkeitsspanne der Kids hat sich dramatisch verkuerzt. Drei Jahre
Gitarre lernen ? No way. Die Musikindustrie hat es vorgemacht: Sampling und
Recycling funktionieren praechtig, wozu fuer eigene Ideen schwitzen ? Wer
als Erwachsener die Charts beobachtet, fuehlt sich an seine Kindheit
erinnert. Coverversions von Elvis, den Bee Gees und Joan Jett loesen
einander ab; alte Helden wie Groenemeyer retten die EMI vorm Bankrott,
Stones und U2 spielen Rekordsummen ein, ein zipfelbaertiger Peter Gabriel
spielt altersmilde laechelnd Jungspunde an die Boxenwand. Der Gipfel der
Altstoffverwertung ist das aktuelle Cover vom
Lagerfeuerheuler "House Of The Rising Sun".
Eine Industrie mit Zukunft ? Schrumpft in Wuerde.
Soundjunkie
P.S. Ihr werdet mir nachsehen, dass ich meinen kleinen Aufsatz in
einschlaegigen Internetforen veroeffentliche. Auch ich bin nicht frei von
Eitelkeit und halte oeffentliche Aufmerksamkeit fuer den angemessenen Lohn
meiner aufgewendeten Zeit.
2.) "Die Musikwirtschaft wird das Internet nicht überleben! Auf diesem
Standpunkt ist Janko Röttgers, seines Zeichens freier Journalist und
Buchautor mit Wohnsitz in Los Angeles. Bekannt wurde er durch die
Veröffentlichung von Netzpiraten - die Kultur des elektronischen
Verbrechens im Jahre 2001. Sein neues Buch Mix, Burn & R.I.P. widmet sich
dem Entstehen wie auch dem Niedergang der etablierten Plattenbranche. Unter
anderem interviewte Röttgers zahlreiche Brancheninsider und Netzexperten in
Deutschland und den USA, darunter Smudo, Mark Cuban (Internetmillionär und
Besitzer der Dallas Mavericks) und Gerd Gebhardt (Vorsitzender des deutschen
Phonoverbandes) um nur einige zu nennen.
Das Buch widmet sich in der Hauptsache den Themen MP3, Tauschbörsen, den
Verkaufseinbrüchen und den Vorboten einer Krise, in der sich die Branche
offensichtlich befindet. In der Summe kommt ein Portrait über eine Industrie
heraus, welche kurz vor einem Umbruch, bzw. Neuanfang steht. Mix, Burn &
R.I.P. erscheint im Heinz Heise / Dpunkt Verlag und ist ab dem 12. August
erhältlich.
http://www.mixburnrip.de/ die Seite zum Buch mit täglich aktualisiertem
Weblog zum Ende der Musikindustrie
3.) Und kein Newsletter ohne Neuigkeiten von den Totengräbern der deutschen
Dance Szene der "Dance AG".
Momentan beratschlagen die Herren und Damen die Zusammenlegung der GDP und
der ODC sowie einen neuen von der Dance AG gesteuerten Promotionpools,
Originalzitat: "der Tipperpool wird weiterhin nach unseren Vorgaben
zusammengestellt!" Soviel schon mal zur Neutralität der zukünftigen ODC/GDP!
Da hier scheinbar ein Exclusicpool aufgebaut werden soll, der sämtliche
anderen Promtionservices überflüssig machen soll, freuen wir uns schon auf
die rechtlichen Auseinandersetzungen der Promotionservices bezüglich
Monopol, Kartellrecht oder z.B. ist die Vielfalt der Branche gefährdet? Das,
würde die EU Komission aber gar nicht gerne sehen! Harte Nüsse für die Gurus
der Szene!
Demnächst mehr!