V.H.":3fm92ud1 schrieb:
Nun verbinde ich mal diesen Beitrag mit dem vom "Funky HB".
Falls man nun die passende Spule hat und sie auch unterbringt,
könnte man doch die Überbrückung mit einem C versuchen.
Die Überlegung ist gar nicht mal so schlecht! Sie setzt allerdings voraus, daß die Dummy-Spule immer in Reihe geschaltet wird, sonst geht es unserem Nutzsignal an den Kragen!
Eigentlich stellt der Pseudo- oder Funky-Humbucker nur eine Aufweichung des Prinzipes der Störunterdrückung dar. Sie wirkt im besten Fall eben nur noch im tieffrequenten Bereich unterhalb von 100Hz. Eine negative Klangbeeinflussung im darüberliegenden Frequenzbereich tritt damit nicht auf, aber hier gibt es dann auch keine Störunterdückung mehr! Auf Bühnen mit Störungen durch die Lichtanlage (Dimmer, Phasenanschnittsteuerung,...) wird man das Geprassel also nicht los! Man kann eben nicht alles haben. ;-)
auge":3fm92ud1 schrieb:
denke mal W°° oder onkel wissen da bescheid um was es bei diesen arten geht.
Ich versuche mal mein Glück. Zunächst ein paar grundsätzliche Gedanken:
0. Über die Störungen
Störungen, gleich welcher Art, sind eine unangenehme Sache, denn es gilt:
Wenn eine Störung in ein System eingedrungen ist, so läßt sie sich in der Regel nicht mehr rückstandslos, das heißt ohne Auswirkung auf das Nutzsignal, entfernen!
Die Begründung für diese Definition ist leicht einsehbar, denn in einem Informationsübertragungssystem, zu dem auch die Elektrogitarre als Teil gehört, haben die Signale stochastischen Charakter. Das heißt, der zeitlicher Verlauf ihrer Amplituden ist zufällig. Die Störsignale haben in der Regel ebenfalls diese Eigenschaft.
Am Verstärker tritt jetzt die Summe zweier zufälliger Signale auf, von denen wir eines entfernen wollen. Wenn es nicht möglich ist, die Störgröße von seiner Quelle in isolierter Form zu erhalten, so ist ein exaktes Entfernen schlicht und ergreifend unmöglich!
Auch wenn es heute schon sehr gute Systeme gibt, die Rauschen und andere Geräusche aus einem Signal entfernen können, muß man sich darüber im klaren sein, daß es sich hierbei um spezielle Filter handelt, die im Signal nach bestimmten spektralen Mustern suchen und diese dann entfernen. Dabei wird das Nutzsignal jedoch immer mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen! Der Filter "rät" quasi, wie die Störung aussieht und dabei kann man sich ja auch mal täuschen! Der Einsatz eines solchen Tools kann daher nur die letzte aller Lösung sein. Welche Möglichkeiten bestehen denn darüber hinaus?
Genauer gesagt, gibt es drei Möglichkeiten, um die Einflußnahme einer Störungen zu verhindern:
- Abschirmung,
- Kompensation oder Störunterdrückung und
- Verringerung der Störempfindlichkeit.
Die Störquelle ganz einfach zu entfernen oder abzuschalten ist natürlich auch eine Möglichkeit, die allerdings voraussetzt, daß sie sich innerhalb unseres Einflußbereiches befindet. Neue Kohlen für den Motor des Mixers oder ein neuer Schalter für den Kühlschrank haben da schon so manches Wunder vollbracht.
1. Störunterdrückung ist Mathematik
Die Störunterdrückung funktioniert passiv, als auch aktiv immer nach dem gleichen Prinzip. Man hat eine gestörte Signalquelle (in unserem Fall den Tonabnehmer) sowie einen Sensor, der nach Möglichkeit nur die Störungen aufnimmt. Dann stehen zwei Signale zur Verfügung die ich einmal so beschreibe:
Upu(t)=U(t)+Ustör(t)
Usens(t)=a*Ustör(t)
Gesucht ist nur U(t). Alles andere ist igttigitt! Jetzt bildet man einfach die Differenz. Also:
Upu(t)-Usens(t)=U(t)+Ustör(t)-a*Ustör(t)
Upu(t)-Usens(t)=U(t)+(1-a)*Ustör(t)
Man erkennt: Wenn a=1 wird, ist
Upu(t)-Usens(t)=U(t)
Das ist das mathematische Prinzip, welches hinter dem Verfahren steht.
2. Passiv Entstört
Der parallele Humbucker, wie er seinerzeit von Seth Lover für Gibson eingeführt wurde, besteht im Grunde genommen aus einem Single-Coil mit Kompensationsspule. Durch die Verwendung zweier (weitgehend) identischer Spulen ist a, wie gefordert, gleich 1. Da die Kompensationsspule als Sensor allerdings auch die Saitenschwingung empfängt, wird ebenfalls das Nutzsignal kompensiert. Aus diesem Grund wird das Magnetfeld in der Kompensationsspule bekanntermaßen umgedreht, sodaß, quasi als Abfallprodukt, sogar eine Verdoppelung des Nutzsignals entsteht.
Bei einem koaxialen Humbucker sitzt die Kompensationsspule unterhalb der aktiven Spule und eine Umkehr der magnetischen Polarität ist nicht ohne weiteres möglich. Das ist der Grund dafür, daß diese Humbucker in der Regel nur ein schwaches Signal liefern können. Die neueren Konstruktionen schirmen die Kompensationspule durch geeignete Maßnahmen magnetische vom Feld der Saitenschwingung ab, sodaß sie dann ein größeres Signal erzeugen können. Details zu Aufbau und Funktion dieser Tonabnehmer sind in
Guitar-Letter I zu finden.
3. Aktiv Entstört
Es gibt eine ganze Reihe von Patenten, die sich mit der aktiven Entstörung in der Elektrogitarre beschäftigen. Das grundsätzliche Problem besteht darin nur genau das Störsignal zu erhalten, welches im Nutzsignal auftritt. Hat man einen entsprechenden Sensor, der möglichst in unmittelbarer Nähe des Tonabnehmers untergebracht wird, so kann man das gestörte Nutzsignal und das empfangene Störsignal mit Hilfe eines Differenzverstärkers gemäß meinen Ausführungen in 1 voneinander abziehen.
Da das vom Sensor gelieferte Störsignal in der Regel eine andere Amplitude als die Störgröße im Nutzsignal hat, muß noch eine geeignete Dämpfung oder Verstärkung vorgesehen werden. Diese ist in dem Faktor a enthalten. In der Praxis führt das zu der Notwendigkeit eines Abgleiches. Mit Hilfe eines Poti wird a solange verändert, bis die Störung im Signal minimiert ist. Dann ist a=1!
Das aktive Verfahren läßt sich bei Instrumenten mit parallelgeschalteten Tonabnehmern gut anwenden. Problematisch wird es hingegen, wenn eine Reihenschaltung vorliegt. Da sich dann beim Umschalten der Tonabnehmerkombination auch die Größe des Störanteils im Nutzsignal verändert, ist eigentlich immer ein erneuter Abgleich erforderlich oder der Faktor a muß in Abhängigkeit der Tonabnehmerkombination automatisch angepaßt werden.
4. Fazit
Die aktive Entstörung liefert grundsätzlich die gleichen Ergebnisse wie die passive Variante. Die Realisierung erfordert jedoch den Einbau einer aktiven Elektronik innerhalb der Gitarre, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Die Notwendigkeit eines Abgleiches macht die Handhabung durch den "ahnungslosen" Gitarristen eventuell problematisch. Hat man Prinzip und Notwendigkeit nicht begriffen, dann brummt es eben und das Urteil wird dann leider fälschlich vernichtend ausfallen! "Das Teil brummt ja doch! Mist!!", wird man dann zu hören bekommen.
Die Notwendigkeit einer Batterie ist dann der finale Todesstoß für diese Verfahren, denn bekanntermaßen haben 9V-Blöcke die unangenehme Angewohnheit, ahnungslose Gitarristen beim Solieren hinterhältig in die Finger zu beißen! :-o
Ulf