Hi,
ich antworte gern:
littlewing":2439ncfv schrieb:
das meisste hier kann ich einfach nur abstreiten...
Prima, dass Du gut und stabil sozialisiert bist. Du bist in der Lage, Fehlverhalten zu erkennen und Dich entsprechend zu verhalten. Das spricht nicht nur für Dich, sondern auch für alle Personen, die in den wesentlichen Phasen Deiner Sozialisierung positives Verhalten vorgelebt haben.
Andere Menschen haben nicht „Erzieher“ mit einem derartigen Verantwortungsgefühl gehabt.
Die Folgen sind in aller Regel mehr oder weniger schlimm.
Natürlich muss man immer wieder auf`s Neue diskutieren, was man für falsch hält. Oder sollen wir auch aufhören, z.B. die Umweltverschutzung zu kritisieren, weil sie schon lange genug angeprangert worden ist?
cook":2439ncfv schrieb:
...Worum es mir ging war, dass es vor ein paar Tagen leider den falschen getroffen hat...
Cook, glaube mir, ich habe so viel gesehen, dass ich nicht (mehr) darüber urteile, ob jemand schuldig oder unschuldig zu Opfer wurde. Es gibt den Begriff Opfer- Prädestination. Polizisten werden überproportional oft Opfer von Straftaten. Nur Leute, die mit Geld zu tun haben, werden beraubt, und Prostituierte werden überproportional oft Opfer von Sexualdelikten. Du merkst, worauf ich hinaus will. Wer sich in Gefahr begibt, muss damit rechnen, dass etwas schief gehen kann. Dafür, dass man sich in diese Gefahr begibt, gibt es ganz unterschiedliche Motivationen, der ausgeübte Beruf ist nur ein Grund von vielen. Und dann gibt es noch diejenigen, die ohne eigenes Dazutun in Gefahr geraten, z.B. Kinder / sexueller Mißbrauch. Nein, darüber hinaus über die Schuld von Opfern zu urteilen, ist nicht mein Weg. Opfer kann ich nur bedauern.
donlimpio":2439ncfv schrieb:
@frank: Interessanter Beitrag, für mich bleiben trotzdem ein paar Fragen offen:…
Mal sehen, ob Dir diese Antworten reichen:
Zu 1.: In gewissen Sinn hast Du recht. Neben der Intelligenz kommen allerdings auch hier weitere Faktoren zusammen, die mehr oder weniger starken Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen ausüben. Wenn einer dieser Faktoren sich verändert oder wegfällt, wird sich das individuelle Verhalten ganz anders darstellen.
Vorgelebte Gewalt - dabei ist es unerheblich, ob sie real oder nur „nur“ in Filmen oder sonstwie vorgelebt wird - ist ein wesentlicher Faktor. In Filmen wird die Gewalt in aller Regel von den „guten Helden“ angewendet, um den „Bösen“ aus der Welt zu schaffen. Weil sich der Betrachter mit den „Guten“ identifiziert – wer mag schon die „Bösen“ gern – wird auch die Gewalt als sozial anerkanntes Mittel akzeptiert, denn sie wird ja „nur“ benutzt, um etwas Übles zu beseitigen. Der Held an sich ist stets sympathisch und entwickelt sich zum Ideal.
Im seinem realen Leben entscheidet dieser Betrachter, was „böse“ ist. Ist er lange genug beeinflusst, wird er seinem Idealbild folgend mehr oder weniger aggressive „Problemlösungsstrategien“ entwickeln. Wie gewalttätig sich diese äußern, hängt von den anderen Faktoren, vom Erfolg der Strategie und auch davon ab, ob und in welcher Weise er korrigiert wird. Hier Prognosen zu stellen, ist ausgesprochen schwierig. Die Rückfallquote bei verurteilten Gewaltverbrechern zeigt das deutlich.
Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, die Altersbeschränkungen vorsehen, und heute vergleichbare Einrichtungen der PC-Spiele-Hersteller, haben einen durchaus anerkannten, wissenschaftlich belegten Hintergrund. Ob die verhängten Alterbeschränkungen ausreichend sind, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Auch interessant: Die Selbstkontrollen sind von der Wirtschaft - wie der Name sagt - freiwillig eingeführt worden. So ganz stimmt das aber nicht. Mit der "freiwilligen" Einführung sind sie nur den angedrohten und viel unangenehmeren Gesetzen zuvor gekommen. Warum wohl investiert die Wirtschaft Geld in solche Institutionen?
Zu 2.: Dein Hinweis auf das lächerlich-peinliche Image mancher Bands spricht für Dich. Doch bedenke, vor allem manch ein Fan beurteilt das Image dieser Bands ganz anders.
Welcher „Satanist“ ist gefährlich, warum sollten es nur wenige sein? Wer sollte sie aus dem Verkehr gezogen haben vor allen Dingen auf Grund welcher Rechtsgrundlage?
Diese Fragen führen direkt zum Grundgesetz, nämlich zu Art. 2 (Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht…) und zu Art. 5 (u.a. Freiheit der Kunst).
Diese beiden Grundrechte werden sehr großzügig ausgelegt. Und weil kaum zu beurteilen ist, ob jemand aus anderen Motiven als aus künstlerischem Interesse handelt, wird nur selten eine Einschränkung vorgenommen. Ausnahmen finden sich vor allem im Bereich der Rechtsradikalen. Wesentlicher Grund dafür ist, dass sie entweder verbotene Nazisymbole öffentlich zeigen oder unverhohlen die Auschwitzlüge verbreiten, zum Völkermord aufrufen u.s.w.
Die einzige Institution, die über die künstlerische Freiheit entscheiden und sie ggfls. einschränken kann, ist die Justiz. Die ist allerdings an Recht und Gesetz, und dazu gehört vor allem das Grundgesetz, gebunden. Und oft kommt, was kommen muss: Im Zweifel für den "Künstler".
Wem das nicht reicht, der muss eigenverantwortlich für sich selbst entscheiden, was Kunst ist. Alles andere kann er meiden. Schließlich muss das Unkraut, das im Garten nicht wachsen soll, nicht auch noch gedüngt werden.
Zu 3. der Kapitalismus-Diskussion:
Nein, die Wahrheit liegt nicht dazwischen. Die Frage – wer war zuerst da, das Huhn oder das Ei – kann man diesmal durchaus eindeutig beantworten.
Dazu möchte mal auf ganz anderer Ebene argumentieren:
Ich gehe davon aus, dass wir darüber einig sind, dass die Organisierte Kriminalität das Rotlicht-Milieu beherrscht. In ihrer Sendung „Wa(h)re Liebe“ stellte Lilo Wanders in einer „Infoserie“ regelmäßig Bordelle vor. Wie menschlich es dort immer zuging, wie freiwillig die Frauen dort ihrem Job nachgingen. Und Zuhälterei und all die anderen damit verbundenen kriminellen Erscheinungsformen gibt`s dort auch nicht.
Erstaunlich, denn wer wie ich in polizeiliche Ermittlungen gegen Zuhälter involviert war, hat einen ganz anderen Erfahrungsschatz. Und alle anderen haben ausreichend Wissen aus Zeitungsberichten pp., die der Wirklichkeit sehr nahe kommen. Sollte Lilo Wanders wirklich die einzige sein, die über die tatsächlichen Verhältnisse nicht informiert ist? Ober spekuliert sie mit der anderen Seite in unserer (doppelmoraligen) Gesellschaft, nämlich dem Bedürfnis nach der Ware Liebe? Denn insbesondere mit den unterschwelligen Bedürfnissen kann man Geld verdienen. Nicht nur, das Lilo und ihr Team Geld mit dem Elend von Frauen (und Freiern) machen. Letztlich sorgt sie dafür, dass sich die Organisierte Kriminalität durch die unkritische bzw. verlogene „Berichterstattung“ in jedes Wohnzimmer Einzug halten kann und dadurch in nie da gewesener Weise hoffähig gemacht wird. Weitere Folge ist, dass die Bekämpfung der OK dauerhaft erschwert wird, weil eine ihrer Erscheinungsformen in der Bevölkerung zunehmend als normal empfunden wird, Akzeptanz findet.
Auch an diesem Beispiel wird deutlich, dass der Kommerz aus ausschließlich finanziellem Interesse rücksichtslos Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung nimmt. Mit feinem Gespür sucht und findet er unablässig latente Bedürfnisse und wandelt sie in klingende Münze um.
Ich mag die Art, mit der Walter argumentiert. Er weiß um das Vorhandensein verborgener Sehnsüchte. Er ahnt, dass, würde er ihnen hemmungslos nachgeben, er sich selbst und anderen schaden könnte. Und so nimmt er seine ganze, stetig wachsende Lebenserfahrung und zügelt sich, wo es ihm nötig erscheint. Das nenne ich Verantwortung übernehmen.
Man muss nicht jeden Trend mitmachen, aus einem, den man als falsch erkannt hat, kann man wieder aussteigen.
Walter und ich gehören noch zu der Generation, die die Eltern fragte, warum sie im 3. Reich mitgemacht haben. Vergleichbares wird uns nicht passieren. Allenfalls, dass wir gefragt werden, warum wir nicht genug dagegen getan haben. Und das finde ich ausgesprochen beruhigend.
Gruß
frank