Alles hat eine Resonanzfrequenz. Alles. Die Resonanzfrequenz meines Kamms ist immer dann erreicht, wenn das Wort Schwingungsübertragung im Zusammenhang mit Solid Body Instrumenten gebraucht wird. Dann entsteht eine Resonanz, die per Übertragung von meinem Kamm auf mein Kleinhirn über geht, welches in Folge Sturzbäche von Adrenalin ausgeschüttet.
Womit ich in der Mitte des Themas bin: Eine Übertragung soll – das bedeutet bereits das Wort – etwas von hier nach dort tragen, also über-tragen. Es muss folglich eine Schwingungsquelle und ein Schwingungsziel geben. Darüber hinaus ist ein Zweck der übertragenen Schwingung unbedingt sinnvoll. Bei einer Westerngitarre z.B. übertrage ich eine Saitenschwingung vom Steg auf die Decke, um diese, einer Membran gleich, zum Bewegen vieler Luft Moleküle zu bringen. Ganz einfach: Quelle= Saite -> Ziel= Decke -> Zweck= Luftbewegung
Und wie wird das bei der E-Gitarre dargestellt?
Ich spiele einen Akkord an, es schwingen die Saiten auf der Brücke, die Schwingung wird von dort optimal auf den Korpus übertragen, während der geleimte Hals die Schwingungen optimal von der anderen Seite übertragen hat. Irgendwo in der Mitte treffen sich die optimal übertragenen Schwingungen, fassen sich bei den Händen, tanzen eine Polka, trinken noch einen Absacker und verschwinden dann durch den Tonabnehmer. Wichtig dabei ist, dass alles optimal schwingt und überträgt.... (Aaargh! Mein Kamm!)
Es gibt, wie ich eben schon beschrieb, nur einen Punkt, an dem man Schwingungen übertragen will: Vom Steg eines akustischen Instruments auf die Decke! Überall anders werden Schwingungen verzehrt, vernichtet, in Wärme umgesetzt oder wie man es auch sonst noch bezeichnen möchte.
Starke Eigenresonanzen sind bei Solid Body Instrumenten nicht erwünscht, denn es ist nicht ihre Aufgabe, akustische Leistung zu produzieren – im Gegenteil. Sie wurden erfunden, weil akustische Instrumente mit Tonabnehmern bei großen Lautstärken durch Eigenresonanz zerstört werden – oder zumindest starke Feedbacks produzieren. Es sollen also keine Schwingungen übertragen werden und sie können es auch nicht – denn es gibt keinen Ort, wo sie hin getragen werden und keine Aufgabe, mit der sie dort betraut werden könnten. Der Begriff ist im Zusammenhang mit Solid Body Instrumenten schlicht absurd!
Dennoch resoniert auch eine Strom- eine Brettgitarre.
Ich will es mit einem Ölgemälde vergleichen. Wenn weißes Sonnenlicht auf das Bild fällt, bekommen die Farben unterschiedliche Töne. Warum? Weil sie bestimmte Farbanteile des weißen Lichts absorbieren und andere reflektieren. Darum sehen wir unterschiedliche Farben.
Zurück zur Gitarre;
Der Ton einer Saite wird bestimmt durch: Die Erdanziehung, das Material und die Länge der Saite, deren Dichte, Elastizität, Querschnitt und Spannung. Auf einem nicht resonierenden Träger, vielleicht einer Betonschwelle, schwingt die Saite ungebremst, dem weißen Licht gleich. Die Einfärbung eines Tons geschieht, wenn bestimmte Anteile des „weißen Tons“ absorbiert und andere durch Resonanz (Reflektion) deutlich hervor gehoben werden. Dazu muss ich genauer erklären:
Wie eingangs erwähnt hat jeder Körper eine Resonanzfrequenz. Auch eine Brettgitarre. Auf der Resonanzfrequenz, das kennen wir von jeder Westerngitarre, wird das Instrument lauter. Da wir die Energie bei der Gitarre jedoch nicht fließend mit einem Lichtstrahl oder einem Geigenbogen in die Saite geben, sondern sie nur mit dem Finger anschubsen, verklingt der Ton auch schneller. Seine Energie ist in der Resonanz verbraucht. Die E-Gitarre kann dabei kaum lauter werden. Man spürt ein mehr oder weniger starkes Vibrieren in Korpus oder Hals und der Ton ist weg. Diese Form von Resonanz ist als „Dead Spot“ bekannt und bei Stomgitarren gar nicht beliebt.
Durch Masse, Dichte und Elastizität (auch wesentlich bedingt durch die Konstruktion) bekommt das Instrument einen Dämpfungsfaktor, der mehr oder minder stark in unterschiedlichen Frequenzen auftreten kann. Durch Dämpfung wird Schwingungsenergie ebenso wie durch Resonanz absorbiert, also verschluckt.
Hier liegt vermutlich das Missverständnis, welches für die fälschlich gebrauchte „Schwingungsübertragung“ verantwortlich ist!
Dämpfung mögen Künstler natürlich gar nicht und so stellt sich mancher vor, dass der Tonverzehr durch halb lose Brücken und Hälse, durch Lack und weiche Metalle verursacht wird. Dabei wünscht sich der Musiker, dass die Schwingungen Brücken, Sättel, Hälse und Korpi möglichst reibungslos durchlaufen sollen. Nichts soll der freien Schwingung im Wege stehen... Aber wir haben es nun mal nicht mit akustischen Instrumenten zu tun. Wir wollen, dass die Saite lange schwingt und die Konstruktion des Instruments dem Ton einen angenehmen Charakter gibt.
Die Stromgitarre soll eben nicht resonieren, nicht „mitschwingen“ und folglich braucht auch nichts „übertragen“ werden. Es reicht, wenn nicht gedämpft wird. Und auch hier werden aus Mücken gerne Elefanten gemacht, denn:
Tremolos solider Bauweise schlucken kein Sustain. Wer das Tremolo seiner Gitarre auf die Decke auflegt, wird keinen nennenswerten Sustaingewinn feststellen.
Dicke Messingklötze auf Bässen verändern den Ton nicht. Selbst ein Doppelhals Preci Bass mit 8 Kg Gewicht hat seine Eigenresonanzen dort, wo nahezu jeder Preci und Jazzbass resoniert: Auf der G-Saite um die 5. Lage.
Sauber geschraubte und geleimte Hälse unterscheiden sich nicht nennenswert im Ton. Es gibt keinen physikalischen Zustand zwischen fest und los.
Eine Gitarre klingt nicht automatisch besser, wenn man den Lack entfernt. Der gesamte Lack auf einer Gitarre wiegt weniger, als die Metallwirbel an den Mechaniken.
Die Dämpfung und Resonanz in Brettgitarren entsteht vornehmlich durch Material, Querschnitt und Länge des Halses, danach durch das Material des Korpus, das Gewicht des Instruments, und die Art und Menge der Pickups.
Vor allem in der Konstruktion und Materialauswahl werden Eigenresonanzen und Schwingungsverhalten festgelegt, die durch keinen Zauber der Welt mehr zur Gänze lösbar sind. Wer den Unterschied von Messing zu Stahlreitern zu hören will, dem soll der Spaß daran nicht genommen werden. Wenn dabei Schwingungen irgend wo hin getragen werden und dort dumm in der Gegend stehen, kann man sie mir ruhig zu schicken.
Mit den Wellen mach ich aus meiner Badewanne ein Spaßbad!
Nachtrag aus dem Jahr 2009:
Bei massiven Instrumenten ist die der Bereich von zehrender Resonanz, wie wir sie im Deadspot kennen zu einem gutmütigen „Federn“, was gute Gitarren ausmacht, sehr klein.
Instrumente mit einem sehr steifen Hals schwingen in den Bässen gar nicht mit. Sie schwingen mit kleiner Amplitude lange aus. Leise – lang.
Instrumente mit sehr elastischen Hälsen und Resonanzfrequenzen der Töne auf dem Griffbrett schwingen mit großer Amplitude kurz aus. Laut – kurz.
Auf einem sehr schmalen Grat dazwischen finden wir das gute Instrument!
Natürlich – auch wenn bei diesem Artikel ein anderer Eindruck entstehen mag – natürlich resoniert eine E-Gitarre. Das soll sie und es geht ja auch nicht anders. Holz ist nun mal elastisch! Ständig schwingt und eiert etwas mit, wo man es nicht will! Es ist in der Praxis sehr viel schwieriger, all die störenden, zehrenden und vernichtenden Resonanzen zu eliminieren, als einem Instrument Charakter und Farbe zu geben.
Sehr oft werden Systeme und Denkmodelle vom akustischen- auf den E-Gitarrenbau übertragen. Das funktioniert nur sehr begrenzt.In den meisten Fällen führt es in die Irre!
Darum schreibe ich vereinfacht: „Eine E-Gitarre soll nicht schwingen.“ Wissend, dass die verbleibende und nicht vermeidbare Resonanz den Charakter des Instruments formt.