Review Mesa Boogie Mark IV 1x12-Combo

frank

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Seit 4 Wochen habe ich ihn in Gebrauch. Hier meine Erfahrungen:

Verarbeitung:
Auf der Basis der Erfahrungen mit den Serien Mark I bis Mark III wurde der Mark IV entwickelt und seit 1989 in seinen Grundzügen unverändert gebaut. Seither wurde er weltweit ca. 50.000 mal verkauft. Man darf ihm daher wohl unterstellen, dass er ausgereift ist und sich in der Praxis hinlänglich bewährt hat.

Und so präsentiert er sich mir auch heute: Mängelfrei!

Mir gefällt besonders gut, dass der zum Amp gehörige Bodentreter stets mit dem Amp verbunden bleiben kann. Zum Transport wird er ohne das Kabel zu lösen auf der Rückseite in eigens gefräste Aussparungen eingeschraubt – fertig. Alle Kabel liegen im Inneren des Amps. Gleichzeitig wird das Innenleben des Amps fast vollständig abgedeckt und geschützt.

Der Amp wiegt satte 36 Kilo. Er ist also kein Leichtgewicht, aber er lässt sich dank seiner geringen Ausmaße gut transportieren. Meine 8 Kilo leichtere 2x12 Box ist deutlich unhandlicher.
Zusätzlich hat der Mark IV (abnehmbare) Rollen, die auch auf unebenen Böden gut laufen.

Technik:
Der Amp hat max. 85 Watt, und kann auf irgend etwas zwischen 20 und 30 Watt reduziert werden.
Über den Power-Schalter kann er auf Normal- oder Tweedmodus (=Leistungs- und Soundveränderung) geschaltet werden.

Der Amp hat 3 Kanäle, Rythm1, Rythm2 und Lead, dazu noch den Equilizer, dessen Benutzer-Einstellungen für jeden Kanal abgerufen werden können. Damit wird noch je ein zusätzlicher Sound pro Kanal möglich.

Mit Schaltern auf der Rückseite wird der grundsätzliche Sound beeinflusst bzw. werden bestimmte Betriebsarten (z.B. Class A/ClassAB, Midgain/Harmonics) voreingestellt.

Der Bodentreter:
Über den mitgelieferten Bodentreter werden die Kanäle, der EQ, sowie die Effektloop aktiviert.
Um nicht Lead + EQ durch zwei Steps aktivieren zu müssen, gibt es einen LeadEQ-Taster, der beides mit einem Fußtritt schaltet.
Schön, dass es sich nicht um die üblichen Fußschalter handelt, nämlich jene, die über einen halben Zentimeter gegen einen deutlichen Widerstand getreten werden müssen bis sie mit einem hörbaren Klicken einrasten.
Vielmehr handelt es sich bei den Kanalumschaltern und LeadEQ um leichtgängige Taster. Ein leichter Stups und schon ist der Kanal verzögerungs- und störungsfrei umgeschaltet. Der Schalter für EQ- und die Effektloop sind der herkömmlichen Machart. Gut; denn so wird eine versehentliche Aktivierung unterbunden.

Die Vorderseite:
Rythm1 und Rythm2 haben jeweils eigene Gain-, Trebble-, Presence- und Master-Potis und teilen sich Mid und Bass.

Bei beiden Kanälen kann der Gain-Poti gezogen werden. Daraus ergibt sich:
- für Rythm1 eine bright-Schaltung = etwas wärmerer, dickerer Sound,
- für Rythm2 eine full fat-Schaltung = etwas gain-boost,
womit der Sound unabhängig voneinander und insbesondere bei geringen Lautstärken positiv verändert wird.
Das Presence-Poti für Rythm2 kann ebenfalls gezogen werden. Das gestaltet den Sound etwas fetter.

Dass sich Rythm 1+2 ein Poti für Mid und Bass teilen müssen, bleibt ohne Belang.
Die beiden Kanäle sind von Haus aus sehr gut abgestimmt. So dienen diese beiden Potis nur der Feinabstimmung und zeigen ihre Wirkung nur in Nuancen, indem sie dem Sound Wärme, Fülle und einen gewissen Glanz hinzufügen. Das Handbuch gibt als empfohlene Werte die Stellung 3-5 vor. Und daran sollte man sich nach meinen Erfahrungen auch grundsätzlich halten.

Nach Abstimmung von Gain, Trebble, Mid und Bass sowie Presence, wird lautstärke- / geschmacksabhängig noch das eine oder andere Poti gezogen.
Ein jeder sollte jetzt für Rythm 1 + 2 einen guten Sound gefunden haben.

Je nach Gain-Stellung erhält man in Rythm1 einen schönen, vollen und warmen Clean und im Rythm2 einen guten Crunch. Bei höherem Gain kann Rythm2 durchaus als Lead durchgehen.

Das ist schon mal ideal für Blues und Old-School-Rock. Selbst Jazzer könnten Freude entwickeln.

Lead kann völlig separat eingepegelt werden, da die o.g. Potis sowie ein zusätzliches Drive-Poti zur Verfügung stehen.

Das Drive-Poti boostet die Zerrintensität nochmals an.
Jedoch: Zuviel Drive erzeugt jede Menge Sustain, aber noch viel mehr Nebengeräusche. Drive also eher etwas niedriger einstellen.

Gain- und Drive-Poti können auch gezogen werden. Dann geht richtig die Post ab, weil das Signal noch eine Schippe mehr angedickt und belebt wird. In der richtigen Kombination von allen Potis ist Drive ein außerordentlich wirkungsvolles Mittel zur Gestaltung des Lead.
Ebenso kann das Presence-Poti gezogen werden, was den Sound ebenfalls verändert.
Grundsätzlich entspricht die Wirkung der Pull/Push-Funktion dem oben Gesagten.

Das bringt einen schön singenden und lebendigen Zerrsound, je nach Einstellungen immer noch etwas Old School oder deutlich rockig-moderner. Die Zerrsound klingt mit schönen Obertönen und – falls gewollt - in das kontrollierte Feedback kippend aus. Wirklich prima.

Durch die unterschiedliche Gain-Steuerung liefert die Vorstufe für jeden Kanal eine unterschiedliche Lautstärke.
Null Problem; denn alle drei Kanäle haben einen eigenen Master, über den die Lautstärke der Kanäle aufeinander abgestimmt wird.
Abschliend lässt sich die Gesamtlautstärke des Amps komfortabel über ein „Master-Vol-Poti“ den Anforderungen angepassen, das die Lautstärke aller drei Kanäle ganz nach gusto gleichmäßig anhebt oder absenkt.

Der Equilizer:
Der Mark IV hat einen 5-Band-Equilizer mit den üblichen Schiebereglern, dessen Einstellungen sich nach der Aktivierung auf alle Kanäle auswirken. Seine Nutzung macht den Amp noch variabler.

Alle Schieber in der Mittelstellung geben einen Sound wieder, in dem alle Frequenzen gleichmäßig verteilt sind. Zusätzlich wird das Gain-Potenzial zugeführt, das den einzelnen Kanälen vom User eingestellt worden ist. Die anderen über die Potis vorgenommenen Einstellungen von Trebble, Mid und Bass bleiben unberücksicht. Der grundsätzliche Charakter jedes Kanals wird erkenntlich.

Um die einzelnen Frequenzen zu verändern, schiebe man nach Aktivierung des EQ die Regler für jedes Frequenzband hoch oder runter. Fingerspitzengefühl und Hinhören ist jetzt gefragt.
Was sofort auffällt: Es ändert sich der Sound. Aber es wird auch der Amp lauter / leiser, je nachdem, ob und welche Frequenzen man anhebt (=lauter) oder absenkt (=leiser).

Der EQ bietet nicht die Möglichkeit, jeden Kanal separat abzumischen. Die gewählten EQ-Einstellungen betreffen jeden Kanal. Kann also sein, dass man z.B. im 1. und 2. Kanal ein tolles Ergebnis erzielt, dafür im 3. aber nicht. Geschmackssache. Probieren geht über studieren.
Mindestens ein guter und zusätzlicher „Kanal“ wird sich auf jeden Fall ergeben. In diesem Fall kann man sich den Kanal allerdings aussuchen.

Die „Höhe“ und „Tiefe“ der Frequenzeinstellungen entscheiden nicht nur über den Sound, sondern auch über die Lautstärke.
Hat man sich einen guten EQ-Sound gebastelt, können z.B. die Schieberegler gleichmäßig nach oben über die Mittellinie hinaus verschoben werden. Damit wird der Amp lauter, man hat sich also einen „Solo-Boost“ geschaffen.

Sonstiges:
Durch die diversen Schaltmöglichkeiten auf Vor- und Rückseite sowie durch den EQ hat der Mark IV hat einen sehr variablen Grundcharakter, der sich aber dennoch nicht in alle möglichen Soundrichtungen verbiegen lässt.
Das dürfte auch der Grund sein, weshalb nicht selten Midi-Teile in ihn eingeschliffen werden.

Die Frage nach Attack, Dynamik u.s.w. erübrigt sich. Das und insbesondere Durchsetzungsfähigkeit hat er im Überfluss. Und der Lautsprecher kann das sehr gut wiedergeben, wobei sich die Nebengeräusche in sehr engen Grenzen halten.

Wer die serienmäßigen 6l6-Röhren nicht mag, kann sie durch EL34 (in den äußeren Positionen) oder 6V6 (nur in bestimmtem Betriebsmodus) ohne Bias-Anpassung ersetzen.

Die Röhrenzerre darzustellen, dürfte ein ziemliches Problem sein. Der Amp ist mit 85 Watt dafür viel zu laut.
Selbst die Absenkung auf 20 Watt ist immer noch sehr mächtig.
Mit der Benutzung einer Hotplate kann ich den Mark auch daheim betreiben. Einige Lautstärke kann ich allerdings fahren; denn ich wohne nicht im „dünnhäutigen“ Mehrfamilienhaus.

Will sagen: Für Wohnzimmergitarristen ist der Amp absolut ungeeignet!

Fazit:
Der Mark IV ist technisch zuverlässig und obendrein in jeder Hinsicht recht einfach zu handhaben.
Wer will, kann mit dem Mark IV ganz einfach und schnell den typischen Carlos-Santana-Sound clonen. Die anderen haben alle Möglichkeiten sich mit nur geringem Aufwand einen eigenen unverwechselbaren Sound zu basteln, der jeder Situation gerecht werden dürfte.

Der Mark IV galt in den vergangenen 19 Jahren als echter Amp der Oberklasse. Das dürfte sich auch in der Zukunft nicht verändern.

Ich jedenfalls freue mich, einen zu besitzen.
 
Hi frank,
Kompliment - das nenne ich eine kompetente Review...!

frank schrieb:
Will sagen: Für Wohnzimmergitarristen ist der Amp absolut ungeeignet!

Da gebe ich dir vollkommen Recht - ich war als ich ihn das erste mal daheim anmachte fast etwas enttäuscht, da mir der Sound zunächst recht dünn vorkam.
Doch dann im Proberaum und besonders live ging die Sonne auf - da entwickelt der Amp (auch nachdem ich meinen Sound gefunden hatte) eine Dynamik und eine Wucht, einfach herrlich!
Ich habe noch keinen besseren Clean-Sound gehört!

Übrigens: Der Treble-Regler ist der wichtigste vom Mark IV !
Der regelt nicht nur die Höhen, sondern das ganze Signal geht da zunächst durch, füttert praktisch alle anderen Regler und hat direkte Auswirkungen auf das Gain. Lohnt sich damit zu experimentieren.

Wie ich schon sagte habe ich ja alle Röhren-Kombinationen ausprobiert und bin bei den 6V6 hängen geblieben. Da hat er natürlich nicht mehr soviel Headroom, aber dafür den gewissen "Schmelz" und live laut gespielt singt er wie eine Nachtigall :-)

Viel Spaß mit dem Teil!
Jochen
 
75Deluxe":2hrklfv4 schrieb:
Hi frank,
Kompliment - das nenne ich eine kompetente Review...!
Danke für die Blumen, Jochen. Da freue ich mich wirklich drüber!

75Deluxe":2hrklfv4 schrieb:
Doch dann im Proberaum und besonders live ging die Sonne auf - da entwickelt der Amp (auch nachdem ich meinen Sound gefunden hatte) eine Dynamik und eine Wucht, einfach herrlich!
Ich habe noch keinen besseren Clean-Sound gehört!

Stimmt, im Proberaum machte er auch bei mir eine wirklich gute Figur!
Zum Cleansound: Hör Dir mal den Lonestar Classic an. Der ist ebenso gut, finde ich. So darf man locker behaupten, dass beide Amps als Clean-Referenz dienen können.

75Deluxe":2hrklfv4 schrieb:
Übrigens: Der Treble-Regler ist der wichtigste vom Mark IV !
Der regelt nicht nur die Höhen, sondern das ganze Signal geht da zunächst durch, füttert praktisch alle anderen Regler und hat direkte Auswirkungen auf das Gain. Lohnt sich damit zu experimentieren.
Ja, und der Einfluss des Trebble ist derart wirksam, wie ich es noch nicht erlebt habe.
Ich habe es nicht erwähnt, weil das Review ohnehin schon ewig lang ist. Und ein bisschen habe ich auch erwartet / gehofft, dass einer von Euch darauf eingeht.

75Deluxe":2hrklfv4 schrieb:
Wie ich schon sagte habe ich ja alle Röhren-Kombinationen ausprobiert und bin bei den 6V6 hängen geblieben. Da hat er natürlich nicht mehr soviel Headroom, aber dafür den gewissen "Schmelz" und live laut gespielt singt er wie eine Nachtigall :-)
Du hast mir schon mal den Mund mit den 6V6 wässrig gemacht. Ich sehe schon, ich muß noch mal etwas Geld in ein Quartett 6V6 investieren müssen. Weniger Headroom? Bei 85 Watt? Da kann man gewiß Einbußen verkraften.
Im Augenblick fahre ich noch außen EL34, innen 6L6. Das klingt auch!
Aber der Tag wird kommen...
 
Hi Frank,
ein klasse und aussagefähiges Review hast du da geschrieben. Es ist zwar im ersten Moment sehr viel Text, aber wenn man diesen durchgelesen hat, kann man sich ohne den Amp zu kennen vorstellen wie er klingen mag ;-)

Außerdem finde ich es schön zu lesen, wenn jemand zufrieden ist und seinen Sound gefunden hat.

Ich wünsch dir allzeit gute Töne und viel Spaß mit dem Boliden :cool:
 

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