Sulzcaster

Hersteller
sixandfour
Baujahr
1989
Gegen Ende des Jahres 1988 , 18 Lenze jung, war ich Gitarrist in einer sehr gut gebuchten Top 40/Oldierock-Coverband. Ich hatte seit etwas über 3 Jahren meine schwarze Strat, mit der ich alle Gigs bestritt. Zusätzlich hatte ich als Ersatz noch eine Hoyer Les Paul (eine Leihgabe des Bassisten) mit am Start.
Eigentlich war alles perfekt, aber ich war immer schon pragmatisch und wollte alles in einer Gitarre haben. Ausserdem war ich mehr als eifriger Gitarrenmagazin-Konsument (Internet war ja noch nicht), und ständig wurden neue Wundergitarrensäue durchs Dorf getrieben. V.a. Ibanez war damals sehr rürig und brachte kurz vorher die JEM auf den Markt. Die fand ich vom Konzept her (HSH, unterfrästes FR etc) super durchdacht, eine Weiterentwicklung meiner damals durchaus modernen HSS-Strat. Auch wurde ständig darüber geschrieben dass man mit den superdünnen Hälsen quasi aus dem Nichts zum Shredking avanciert. Das Einzige was mir überhaupt nicht gefiel war die Optik, und ich war bekennender Strat / Fender-Fan.

Aus den Musikermagazinen kannte ich natürlich auch die damaligen einschlägigen angesagten Edelschmieden wie Valley Arts (Lukather), Suhr (Knopfler)usw. Die waren aber preislich jenseits jeglicher Vorstellungskraft für mich und insofern nicht mal ansatzweise einen Gedanken wert.
Als Azubi hatte ich zwar wenig Kohle (513,- DM brutto), aber in der Band gingen wir pro Mann mit Gagen von 250-500,- DM pro Abend nach Hause. Was lag näher als, als völlig vernünftig denkender junger Mensch, dieses Geld 1:1 wieder in das Hobby zu stecken...?
Ich war Stammkunde beim relativ neuen Gitarrenladen von Heiko Bellon, sixandfour. Er war im Aufbau und hatte die Vision auch Gitarren und Bässe Custom Made zu bauen, also im Prinzip die Valley Arts Geschichte nachzubauen, und hierfür extra einen Gitarrenbauer eingestellt.

Ich hatte zwar keine genaue Vorstellung was denn eine Custom Made Gitarre kosten würde, wusste aber im Kopf genauestens was ich haben wollte, nahm meinen Mut zusammen und sprach Heiko darauf an. Er war damals vermutlich froh für jeden Auftrag und so haben wir recht schnell eine Grobkalkulation gemacht. Hilfreich war, dass meine Oma bis kurz zuvor noch bei Schaller gearbeitet hatte und sie mir anbot über ihren früheren Chef Rene Schaller diverse Teile günstiger zu besorgen, die ich dann Heiko zum Einbauen überliess.

Anfang 1989 ging es dann los. Vorgabe war
- ein Strat-Body (Erle) in deckend schwarz mit weissem dreilagigen Pickguard (damals war ich schon Clapton-Fan, also war das einfach gesetzt)
- Alle Hardware schwarz (ich war damals schon unglaublich cool)
- Hals aus Maple mit Rosewood Griffbrett, ohne Dots oder Inlays, ausser die kleinen oben zur Orientierung. Ich wollte dass keiner vorne aus dem Publikum mir was abschauen könnte...
- Headstock im Fender-Design, nach hinten angewinkelt (von der JEM übernommen). Soll ja den Saitendruck auf den Sattel erhöhen. Natürlich völlig sinnfrei durch den FR-Festklemmer...
- Halsmasse ebenfalls von der JEM (man will ja ab sofort schnell spielen können, geht ja nur mit so einem Hals)
- Hals/Korpus-Übergang abgeschrägt (relativ neue Innovation damals)
- 24 Bünde (man will ja für alles gewappnet sein)
- Pickups: HSH. Bridge: Seymour Duncan „Hot Rail“ (soll ja braten in der Position), Neck Seymour Duncan „Jeff Beck“ (soll weniger Output haben) und die Singlekeule ebenfalls was von Seymour Duncan.
Ich hatte (nach Messias Lukather) auch aktive EMG im Kopf, aber Schiss dass mir die Batterie irgendwann beim Gig ausfällt.
- Unterfrästes Floyd-Rose (ich hatte und habe zwar nie viel tremoliert, aber man könnte halt wenn man wollte...ausserdem hatte das die JEM auch, also war es gut)
- Rockinger Blackbox (hatte ich schon in meiner Strat, ein Segen beim Saitenriss bei schwebend eingestelltem Trem)
- Schaller Straplocks (hatte damals auch nicht jeder, waren noch Geheimtip).
- Am meisten beschäftigt hatte mich das Thema Schaltung; ich wollte nur 2 Poti (wie bei meiner Strat) und einen 5-fach Schalter.
Aber dennoch alle Muss-Stellungen von Strat und Paula, also:
- - HB Steg
- - HB Neck
- - Zwischenstellung SC/SC Bridge
- - Zwischenstellung SC/SC Neck
- - SC Mitte
- - SC Neck
- - SC Bridge
- Weiterhin wollte ich, dass ich die am häufigsten benutzten P/U-Stellungen mittels 5-fach Schalter bedienbar sein sollten, und die weniger häufigen mittels Push/Pull Poti zuschaltbar.
Heraus kam dann:
Stellung 1: HB Bridge. Mit P/P Poti im Tone auf SC splitbar.
Stellung 2: Zwischenposition SC Bridge / SC Mitte
Stellung 3: SC Mitte
Stellung 4: Zwischenposition SC Neck / SC Mitte
Stellung 5: Neck SC. Mit P/P Poti auf HB schaltbar.

Was kam jetzt dabei heraus...?
Meine damalige Traumgitarre...theoretisch.
Eine Kreuzung aus den (modernen) Features der damals (m.M.n., angelesenen) innovativsten Gitarre (JEM) mit der optisch mich am meisten ansprechenden traditionellen Strat.
Getauft wurde sie auf den Namen „Sulzcaster“. Weil sixandfour (bis heute) in Sulzbach / Saar angesiedelt ist.
Heiko hatte mit dem Gitarrenbauer zusammen ca. 10 Strats gebaut und noch ein paar mehr Bässe und danach die Gitarrenbauabteilung wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Der Laden selbst brummt bis heute ohne Ende.

Und, wichtigste Frage, wie klingt sie?
Ich machs kurz: Scheisse.
Sie ist sehr hart im Klang, ein Brett. Eben wie die JEM (die ich mir vorher nie richtig angehört hatte). Für Bratsounds gut, aber mir immer zu heftig gewesen. Kein Vergleich zu dem filigranen, weichen Sound meiner Strat. Obertöne finden quasi nicht statt.
Schneller spielen konnte ich auch nie, trotz des Halses.

Ich habe sie Live bei ein paar Titel eingesetzt, hauptsächlich wenn ich mal wirklich 24 Bünde haben wollte. Aber zu 98% blieb die Strat meine Hauptgitarre (bis heute), die Sulzcaster Ersatz.

Handwerklich war die Ausführung ebenfalls eher...bescheiden. Habe ich damals mit zuviel Freude in den Augen nicht bemerkt oder wollte es nicht sehen. Das Pickguard zB (hatte er selbst ausgesägt) ist eher hobbymässig gemacht; die Bünde am Griffbrettrand nicht sauber gearbeitet.

Gekostet hat sie mich damals (incl. der beigesteuerten Schaller-Teile wie FR-Trem, Mechaniken, Straplocks) rund 2.800,- DM. Also wirklich viel Geld damals (eine US-Strat hing für rund 1.500,- DM im Laden).

Aber egal, sie war nicht so wie ich es mir erträumt hatte (eierlegende Wollmilchsau), aber sie war genauso wie ich sie mir vorher durchdacht hatte, und sie dann zu haben hat mich tief befriedigt. Paradox, ich weiss.

Mitte der 90er, mit Musik hatte ich wegen Umzug, Frau etc aufgehört, brauchte ich Kohle und habe sie an einen Freund für 1.200,- DM weiterverkauft.

2008, nach Trennung, neuer Frau , begann für mich so eine Art „Reset“, als würde ich wieder ab Spät-Teenager mit allem neu anfangen.
Also auch Wiedereinstieg in Musik, und so fragte ich bei meinem Freund nach was denn aus der Sulzcaster geworden sei. Er meinte, vor 2 Jahren wäre sie ihm hingefallen, Kopfplattenbruch. Ich war schon am Boden zerstört, aber er sagte er habe sie einem Gitarrenbauer verkauft der den Kostenvoranschlag gemacht hatte. Ich rief bei diesem an, und er hatte sie tatsächlich noch, unrepariert. Ich fragte nach was er dafür haben wollte, und wir einigten uns auf 750,- Euro (also rund 1.500,- DM), repariert.
Ich hatte sie abgeholt, der Bruch war recht ordentlich repariert, aber der Klang war halt immer noch...scheisse.

Aber es war mir die Sache wert, es war die Rückholung eines Jugendtraumes, für mich in dieser schwierigen Lebensphase wie ein alter Freund, ein Gruss aus der Vergangenheit.

Gespielt habe ich sie immer noch kaum, und jetzt hat sie seit einiger Zeit einen Ehrenplatz im Wohnzimmer an der Wand.
Und ich freue mich jedes Mal wenn mein Blick auf der Couch sitzend auf sie fällt!

Danke fürs Lesen.

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Hallo Michael,
- ja, da ist sie ja endlich! Hast lange gebraucht, aber perfekt beschrieben. Schade, dass dieser Jugendtraum nicht auch noch super klingt, aber ich bin sicher das ließe sich durch ein paar andere Komponenten (v.a. Pickups und Vibrato) schon machen. Aber dann wäre es halt nicht mehr dein Original... Also, halt´sie in Ehren - deine HardRock-Lounge ist der richtige Ort dafür!
 
coole Story und vom Aussehen auch coole Gitarre und noch cooler in Szene gesetzt - gefällt mir!
 
Wow das ist ja mal eine echt coole Geschichte. Nur schade irgendwie das Sie an der Wand ihren Platz gefunden statt gespielt zu werden. Aber muss bestimmt ein tolles Gefühl gewesen sein die Gitarre nach all den Jahren wieder zurück zu erlangen.

Großartige Story!
 

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