Hallo Olli,
ollie schrieb:
sowas nennt man im Fachjargon "selektive Wahrnehmung"....man pickt sich irgendwas raus was einem nicht passt und kommt zu einem schnellen Gesamturteil.... ;-)
[…], in der Arbeit scheint es wissenschaftlich untersucht zu sein. Was will man dem also entgegensetzen (auf gleicher Augenhöhe)?
Ja, einer Veröffentlichung Ex Cathedra etwas entgegenzusetzen ist immer schwer.
Ich weiß, dass ich z.B. in Bezug auf die angeblich fehlenden Charakteristika von Tonarten zu gänzlich anderen Überzeugungen gekommen bin.
Ein Satz, auch wenn er nur zitiert ist, wie "Ein allgemeiner Charakter der Tonart, unabhängig von Komponist, Zeit und Hörer, usw. existiert nicht." offenbart mir, wie falsch die ganze Betrachtungsweise dieser Arbeit ist.
Natürlich existieren solche Dinge immer nur im Kontext.
Wenn man indigenen Pygmäen Beethovens Neunte in d-moll oder in g-moll vorspielt, und sie fragte, welche "richtiger" klingt, wird man auf totales Unverständnis stoßen.
Jeder westliche Zuhörer wird gewaltige Klangunterschiede feststellen, eine Quarte/Quinte Verschiebung ist ein gewaltiger Qualitätssprung, insbesondere dadurch, dass sich die Klangqualitäten der Instrumente in ihren Registern komplett verändern werden.
Musik ist ein soziales Konstrukt.
Konsonanz und Dissonanz, Tonmaterial und Temperierungen sind in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich tradiert und nicht verallgemeinerbar.
Die Betrachtung der Rezeption von Musik ist ohne die Beachtung des zeit- und ortspezifischen kulturellen Umfeldes und ohne die Untersuchung des jeweils im Kontext vorhandenen und benutzten Instrumentariums sinnlos.
Der Autor macht also grundsätzliche logische Fehler.
Daher sind "absolute", "naturwissenschaftliche" Untersuchungen (und diesen Anspruch hat ein großer Teil des Aufsatzes) zu diesem Feld bestenfalls am Thema vorbei,
in jedem Fall aber von äußerst begrenztem Erkenntniswert.
Die physikalischen und akustischen Untersuchungen von E-Gitarren werden dadurch leider in ihrem Wert geschmälert, imho.
Dazu kommt im Detail mangelhaftes Verständnis der Spielpraxis der E-Gitarre z.B. Abb 7.3, auf der ein Finger die Saite mittig zwischen zwei Bünde drückt, mit dem Begleittext "Der Finger drückt die Saite im Normalfall nicht ganz bis zum Griffbrett durch."
Wer so angeblich centgenau Verstimmungen beim Gitarrenspiel messen will, macht enorme methodische Fehler.
Meine, ganz persönliche Erfahrung und Meinung ist, dass, zum Beispiel jemand sich viele, viele Stunden mit Klavierstimmen beschäftigt haben muss, um sich sinnvoll über temperierte Stimmungen und Tonartcharakteristika äußern zu können.
Dass jemand viele, viele Stunden damit verbracht haben muss, an einem bundlosen Instrument oder singend gute Intonation in verschiedenen epochengerechten Ausprägungen zu üben, bevor er das Wort enharmonische Verwechslung gebraucht.
Zwischen harmonischen und melodischen Terzen liegen Welten.
Es gibt für all das Fachleute.
Und viele Stunden Physikstudium machen all diesen Fachwissen nicht wett.
Er sollte sich auf Schwingungsanalysen und die Beschreibung von E-Modulen beschränken.
Viel Grüße,
woody