Mad Cruisers Gig-Tagebuch

A

Anonymous

Guest
Hallo zusammen!

Aus irgendeinem Grund wird dieses Jahr eines der spannendsten meiner musikalischen Laufbahn.

In den kommenden zwei Wochen spiele ich mit meiner Stammband zwei Gigs in der alten und drei in der neuen Besetzung, eine Kerwe mit der Partyband und noch einen Gig mit dem Duo. Von Minibühne mit kleinstem Aufwand bis ziemlich heftig mit PA-Firma und allem ist die Bandbreite (für meine Begriffe) ziemlich gewaltig.

Und das scheint so weiterzugehen, und ich mache dieses Jahr keine Aushilfen mehr...

Fühlt man sich so als Profi? Jeden Tag woanders, immer in wechselnden Bestzungen? Die meisten Profis, die ich kenne, sind mehr mit Organisation ihrer Termin und Unterrichte beschäftigt als mit Spielen.

jedenfalls bin ich furchtbar gespannt, was alles passieren wird. Vielleicht sollte ich mal ein Gig-Tagebuch führen. Besonders die Rubrik "Pleiten, Pech & Pannen" wäre bestimmt lustig.
 
hi mad,

erstmal gratulation zur guten buchungslage.
ich hab immer mal wieder so wochen zusammengebracht wo es richtig oft zur sache ging. ganz abgesehen von 1 wöchigen partyband gigs auf grossfesten wie in hamburger dom oder so.
diese zeit habe ich sehr genossen und mir gewünscht es möge so weitergehen. und zum erzählen hat man auch immer was.
das mit dem tagebuch ist ja richtig eine lustige idee. so ein BLOG wäre schon was.

also ich wünsch dir vor allem viel freude und erfüllung bei deinen gigs und viel segen das das pleiten/pech/pannen kapitel möglichst kurz bleibe.
 
Hi Mad,

schön das es bei Dir so kachelt. Das hat schon Suchtpotential, so viel unterwegs zu sein. Mein vergangenes Wochenende war mit fünf Gigs an vier Tagen für mich bis jetzt Rekord. Da kommt man schon "drauf" und wünscht sich, daß das immer so weitergeht.
Ja, und warum nicht auch im hohen Alter noch ein paar Früchte ernten?! Ich sprech jetzt nicht unbedingt von weiblichen Fans ... :cool:

Gruß, Uwe
 
mad cruiser":o7xac1l9 schrieb:
...
Fühlt man sich so als Profi? ...

Du durftest Dich IMHO zu Recht schon immer so fühlen mein lieber Jörch ;-)

PS: Es sei Dir herzlichst gewunschen!!!

PPS: Das schreiende Maschinchen hat morgen - ähhhh heute abend "Jungfernfahrt"!
 
mad cruiser":1jolsuwj schrieb:
In den kommenden zwei Wochen spiele ich mit meiner Stammband zwei Gigs in der alten Besetzung ...


... jedenfalls bin ich furchtbar gespannt, was alles passieren wird. Vielleicht sollte ich mal ein Gig-Tagebuch führen. Besonders die Rubrik "Pleiten, Pech & Pannen" wäre bestimmt lustig.

Nun,

hier ein kurzer Bericht der ersten beiden Gigs (Jörgs Stammband, alte Besetzung), die ich mitgespielt habe:

1. Gig in einem LKW-Treff im Mannheimer Industriegebiet

Veranstalterseitig wurde kurzentschlossen aufgrund des Wetters umdisponiert "von drinnen nach draußen". Was als kleiner Clubgig angedacht war, wurde dann auf einem Lkw Open-Air gespielt. Kleine Clubanlage war da richtig unterdimensioniert, eine Aktivbox hat sich verabschiedet beim Soundcheck (15"er Bass oder die Endstufe), Gig wurde dann mit einer 15/2 300w Aktivbox und den Monitoren für die Front beschallt. Nicht schön, aber es ging. Die Band hat mit viel Spass gespielt, die Tücken der Technik wurden durch souveränes Auftreten geschmeidig ignoriert und ich konnte ein paar Brocken des neu erlernten Spanischen mit einem netten Brummifahrer aus Kastillien austauschen. Ein netter Abend unter freiem Himmel.

2. Gig bei einer Privat-Party von 5 netten Wetterauer Jungs
Tolles Wetter, tolles Ambiente in einem herrlich hergerichteten alten Fachwerkgehöft, super entspannte Gastgeber. Es waren 300 Gäste eingeladen, die Veranstalter haben alles super organisiert - ein Getränkestand mit Pils und Weizen vom Fass sowie ein Kühlwagen voller Äppelwoi, ein Stand mit richtig leckerem Döner, eine Band, alles sehr liebevoll geschmückt und eine traumhafte Sommernacht - was soll da schiefgehen? Nix, genau. Dufter Abend, tolle Stimmung, die Band gibt alles und den Leuten gefällts. 500 l Bier werden leergetrunken. Heute gabs noch ein schönes Frühstück in der Sonne, zwei der Veranstalter haben durchgemacht und heute morgen noch zur Sicherheit einen kalten Kasten Bier organisiert. Die Gitarren und der Amp haben nun bei zwei Freiluft-Gigs reichlich Schmodder drauf, morgen gibts dann das große Wartungs- und Reinigungsprogramm.

FAZIT:
Eine Menge Spass, ein lachendes Auge ob der zwei schönen Gigs, ein weinendes Auge weil es meine beiden letzten Gigs mit Jörgs Band war, ein bisschen Schwund mit einer gefetzten Aktivbox, viele dreckige Kabel und viel Schmodder auf dem Equipment und die Erkenntnis, dass Rock n Roll die fast schönste Nebensache der Welt ist.
 
Das sind Gigberichte wovon ich gerne mehr lesen würde. Toll geschrieben! Ich freu mich für die schönen Erlebnisse die ihr gemacht habt und trauere andererseits, dass Du nicht mehr bei der Truppe bist.
However, euch beiden wünsche ich mehr solcher Erlebnisse!
 
Freut mich, dass es bei euch so gut läuft ;-) 7 Gigs in 14 Tagen ist schon sehr gut und zeugt auch von der Qualität eurer Band und dem Programm!

Mit meinen beiden Bluesbands, incl. Trio kam ich mal auf insgesamt 42 Gigs im Jahr, doch diese guten Zeiten sind leider schon lange vorbei.

Bei mir ist es im Moment leider etwas zu ruhig. 2 meiner Bandkollegen sind krank und ich musste nun auch kurzfristig Gigs absagen. Einziger Vorteil, meine linke Hand hat sich gut erholt. Ich hoffe, die nächsten Monate werden besser und meine Kollegen kommen wieder auf die Beine.

Weiterhin volle Hallen und passt auf eure Fingerchen auf :top:
 
Hallo zusammen,

hier habe ich mal ein paar Erlebnisse notiert. Vielleicht findet´s ja der eine oder andere amüsant...

Das Gigtagebuch

Die letzten beiden RUST-Gigs mit Rolf sind wie gewohnt ordentlich verlaufen. Freitags waren wir im Brummistadl, in dem Sebi & ich Hausband sind. Die hatten einen Trailer aufgebaut, auf dem wir spielten, Blickrichtung auf das Blockhaus und viel zu groß für uns. Einer von Rolfs Lautsprechern macht die Grätsche, wir müssen die Monitoranlage als Ersatz hernehmen. Egal, spielen wir eben ohne Monitor. Für den nächsten Tag müssen wir dann unsere Anlage doch noch mitnehmen. OK, Rolf hat seine Anlage wieder zurück, den beim Gig durchgeblasenen Speaker wird er zu 80% von uns bezahlt bekommen. Samstags in einem wunderschönen Innenhof eines restaurierten Bauernhofes in der Nähe von Friedberg, zum letzten gemeinsamen Halali geblasen, und das war es dann mit Rolf.

Am Dienstag darauf, bei der vierten Probe mit Dani, seinem Nachfolger, war mein Bassmann so weit, die Gigs an diesem Wochenende absagen zu wollen. Daraufhin fing auch noch der Schlagzeuger an zu tillen und Dani war heftig irritiert. Ich mußte mir erst den großen Psychologenhut aufsetzen und die Wogen glätten, was mir auch nicht eben leicht fiel, weil ich a) ähnliche Empfindungen hatte wie Ned und b) noch völlig groggy war von der Odenwälder Kerwe, die ich mit der Partygang montags gespielt hatte und erst um 04:30h nach Hause gekommen war, völlig gerädert von fünfeinhalb Stunden Gig, davon die letzten zwei am Stück....

Egal, Augen zu und durch. Am Mittwoch habe ich mich mit Dani drei Stunden lang hingesetzt und wir haben alle fraglichen Parts nochmal durchgespielt und die Double Leads geprobt. Nachdem ich zum Musik Schmidt nach Frankfurt gefahren war und eine Monitoranlage gekauft hatte.

Am Donnerstag hatte ich eine Besprechung bezüglich einer CD-Produktion mit anschließender Studiobesichtigung, wobei mein Sänger dazustieß. Wir beide hatten am Abend einen Duo-Gig, und der Kollege, mit dem ich mich wegen des Studioprojektes getroffen hatte, ging mit und setzte sich sofort für einen Set dazu. Lustiger Abend!

Am Freitag haben wir den ersten Gig mit Dani gespielt. Die junge schwedische Band, die als Vorgruppe eingeplant war, hatte kurzfristig abgesagt, also haben Sebi & ich unser eigenes Vorprogramm gemacht. War ohnehin egal, weil wir auf Eintritt gespielt haben (es waren am Schluß 70,- Euro). Die meisten Anwesenden waren Freunde oder Bekannte, und wir haben einfach auf die Kacke gehauen und zweimal eine Stunde lang abgerockt wie bei Rock am Ring. Die Anlage war gut, der Mann am Pult auch, wir hatten nichts zu verlieren und waren immerhin so gut, dass trotz des geringen Besucherandrangs ein neuer Termin an uns herangetragen wurde. Anschließend die Backline abgebaut und in den Mietbus gehievt, und um 04:00h noch zwei Bier zuhause getrunken.

Gestern mittag gegen 01:00h aufgewacht, alle Knochen tun weh, meinen rechten Arm sehe ich zwar noch, spüre ihn aber nicht mehr... Egal, unter die Dusche, und dann zum Treffpunkt am Hauptquartier. Der Wirt vom Brummistadl ist noch völlig begeistert vom vorletzten Freitag und macht sofort einen neuen Termin im September aus. Außerdem drängt er uns einen großen Pott Kaffee auf, der auch nicht mehr schadet. Um 15:30h am Tatort in Karlsruhe angelangt, Ambiente betrachtet, und Jörg sah, dass es gut war. Professionelle Bühne und Licht, alles bestens, Backstagezelt und Getränke. Wir spielen mit unserer eigenen Anlage mit den funkelnagelneuen Monitoren, die wir erstmal aus der Decke schlagen müssen. Der Aufbau geht prima, der Bühnensound ist erstklassig, genauso wie der Sound nach außen, Organisation und Zeitabsprachen punktgenau, Feuerwerk 22:15h, und als es anfängt, ein wenig zu nieseln, wischen wir mit der Hochzeitsgesellschaft den Open Air-Boden auf. Sagt einer der Gäste: "Scheißegal, der Anzug muß sowieso in die Reinigung..."

Habe ich schon erwähnt, dass der Bühnensound hervorragend war? Die Chöre sind perfekt, die Double Leadparts punktgenau, die Stimmung einfach Klasse und die Abendgarderobe der Herrschaften leicht derangiert. Egal, das Brautpaar umarmt uns und bedankt sich, die Gäste reißen uns unsere Info-Flyer aus der Hand und hören nicht auf mit Schulterklopfen, ich muß mindestens ein Dutzend angebotener alkoholhaltiger Getränke ablehnen und ein Jungspund stößt mit mir und meinem Bananen-Kirsch-Longdrink an und meint: "coole Mucke, Alter!"

03:30h zuhause angelangt, Roger McGuinn´s Thunderbyrd mit Rick Vito und Charlie Harrison am Bass angeschaut - der allererste Rockpalast! - und in´s Koma gefallen. Petra weckt mich Minuten später und fragt, wann wir uns zum Ausladen der Anlage treffen. In genau 20 Minuten, um 14:00h. Ich komme im Proberaum kaum noch die Treppe hinauf, aber irgendwie steht jetzt das Gelump wieder dort, der Bus ist abgegeben, und am Dienstag ist Probe.
 
hey mad, sehr geil geschrieben! respektable leistung (und das in dem alter :). ne ernsthaft, ich glaub da würde ich früher die grätsche machen... *g aber vielleicht verrätst du mir am we mal, wie man so ein programm durchzieht...

lg

alex
 
Gigtagebuch Teil 2

Mal wieder ein Zwischenbericht von der Front.

Aus dem Urlaub zurück, Rückkehr zur Routine. Der Probebetrieb läuft wieder an, zum Warmspielen einige Gigs mit dem Acoustic-Duo und ein kleines Open-Air-Festival im Pfälzer Hinterland. Um 14:00h sollten wir da sein. Wie meist, war zu diesem Zeitpunkt gerade mal die PA eingerauscht. Der Topact brauchte dann so lange zum Soundcheck, dass es für uns nicht mal mehr zum Aufbauen reichte. Die erste Band – eine nette, kleine Acoustic-Formation, fing freudestrahlend an und trällerte sich durch ein nettes, kleines, unaufdringliches Programm. Ein wenig unbeholfen, aber musikalisch durchaus passabel.

Danach schmeißen wir unseren Krempel in Rekordzeit auf die Bühne, die Stagehands stolpern uns zwischen den Füßen umher und müssen immer den Chef fragen, wo jetzt das Mikro platziert werden soll. Der Chef ist ein liebenswerter Kauz mit einem Hang zur Spontan-Organisation: Typ 70er Alt-Hippie, aber immer gut gelaunt. Keine Ahnung wie, aber innerhalb von 20 Minuten fangen wir an. Natürlich ohne Soundcheck, dafür aber mit Adrenalin bis unter die Schädeldecke vollgepfropft, ist uns alles scheißegal. Wir knüppeln ab der ersten Nummer derartig durch den ein-Stunden-Set, dass die schiere Präsenz der Band Scharten in den Bühnenboden fräst. Das ist Rock & Roll pur! Der bandeigene Schreihals hat die Massen im Griff und dirigiert am Schluß den kompletten Hof. Die nachfolgende Fusion-Formation mit Drums, Bass, Saxophon und einer niedlichen Sängerin hat es dann doch etwas schwer. Vielleicht überlegt sich der Veranstalter beim nächsten Mal noch etwas zur Reihenfolge.

Am folgenden Samstag spielt meine Stammband mit kleinstem Besteck in einer wundervollen Kneipe mit dem liebenswerten Namen „Woodstöckl“ in der Mannheimer Neckarstadt. Gegen starke Konkurrenz: wenige Kilometer entfernt treten im Hafen Wir sind Helden auf. Stört uns das? Nö. Die langhaarigen Bombenleger unseres Publikums auch nicht. Am Schluß sind alle patschnaß geschwitzt. Prima war´s.

Nächste Sequenz: zwei Gigs mit dem Acoustic-Duo. Mittwoch entfällt wegen Scheißwetter. Es macht ja auch wenig Spaß, einen leeren Biergarten zu beschallen. Donnerstag läuft nicht ganz wie immer; die, die immer da sind, haben noch ein paar mitgebracht. Aber dieses unsägliche Nichtraucherschutzgesetz führt zu skurrilen Situationen: Nichtraucher dürfen auf dem Weg zur Toilette nicht durch die Raucherabteilung gehen müssen. Deshalb ist der große Raum, in dem wir immer spielen und von dem aus die Fliese zugänglich ist, den Vorschriften folgend zum Nichtraucherraum erklärt worden. Da außer mir nur noch ein Nichtraucher im Hause weilt, treten sich alle an der Theke platt und wir spielen vor leerem Haus. Nach der zweiten Nummer haben wir die Nase voll, schnappen die Gitarren und gehen nach vorn an die Theke. Großes Hallo, der Chef scheißt auf den Nichtraucherschutz und reißt persönlich das Rauchverbotsschild herunter. Der Rest des Abends ist Party total, eine Besucherin schnappt sich Sebis Hut und geht sammeln und der Chef will schon die Termine für das kommende Jahr vereinbaren. Aber gerne doch!

Freitag: mit der Odenwälder Partybande geben wir – zusammen mit bedauernswerten Kollegen – das Hintergrundgeräusch zur kollektiven Druckbetankung der örtlichen Dorfjugend. Um 18:00h war Antreten, um 20:30h endlich Soundcheck und um 21:30h ging die Party richtig los. Nein, bewahre, die Nachwuchsalkoholiker trafen erst nach Vordieselung gegen 23:00h ein und wurden direkt in die Bar hinter der Bühne weitergereicht, um sich dort den Rest zu geben. Der Kollege am Pult gab sich Mühe, aber der Bühnensound war derart katastrophal, dass ich aus Gründen der Pietät von Namensnennung Abstand nehme. Was draußen ankam, war ohnehin Wurst. Ich möchte mich unter diesen Umständen nicht zu einer musikalischen Wertung hinreißen lassen. Schwamm drüber.

Samstag: zum 75. Geburtstag eines Hobbyfliegervereins sind wir zwei Tage gebucht. Martin für den Sound und Blinky für das Licht sind ein perfektes, eingespieltes Team. Der Bühnensound ist hervorragend, FOH anscheinend desgleichen. Das „Ballonglühen“, bei dem sechs ausgewachsene Ballons in Reihe stehen und rhythmisch mit den Brennern illuminiert werden, ist ein unglaubliches Erlebnis. Die anschließende Party bis 01:30h bei bester Stimmung ohne nennenswerte Ausfallerscheinungen beweist, dass es doch geht. Das motiviert!

Sonntag: Der Familientag. Wir ziehen die Handbremse an und schrauben sie vorsichtshalber fest. Der Martin am Pult macht einen heimeligen Wohnzimmersound und wir fräsen uns durch ein Kaffeehausprogramm, während von einigen Wahnsinnigen in Maschinen, die der TÜV anscheinen übersehen hat, haarsträubende Figuren an den Himmel gezeichnet werden. Die Bühne steht auch genau richtig zum Zuschauen, wie Menschen an bunten Seidenschirmen vom Himmel purzeln. Warum sich einige während des Fallens zu begatten scheinen, ist mir ein Rätsel, aber es sieht lustig aus. Um 18:30h ist Schluß und ich frage mich, wie die Stones das durchhalten. Aber die haben ja eine Geriatrie-Mannschaft dabei.
 
Ah,

ich habe hier auch ´ne kleine Anekdote zu besten zu geben.

Da frage ich während des Aufbaus noch den Bassisten: " Hömma! Ist dat deine DI Box, die hier auf´m Boden rumeiert? Brauchste doch eigentlich nicht!" (Amp hat DI Out) Er:"Nö!". Es wunderte mich aber schon, dass diese DI Box in akuter! Nähe zur Frontbespannung meines Amps platziert war. Also: Nicht Hören, nichts Sagen, nichts sehen!"
Ich weiter an der Akustik rumschgeschraubt, da kommt die Stagehand und fragt:" Ob der E-Gitarrist nicht noch ein Klinkenkabel für ihn hätte" Ich rang kurzzeitig mit der Fassung und erklärte ihm, das ich besagter E-Gitarrist sei und das ich kein Kabel für ihn hätte. Da sein Gesichtsausdruck nichts Gutes verhieß und ich das Gefühl hatte, dass für ihn gerade die gesamte Veranstaltung auf Messers Schneide stand, hakte ich nach, wozu er denn eben jenes Kabel benötige.
Ein kurzer Deut auf DI Box klärte mich auf. Ich schaute in sein ratloses Gesicht und wollte schon bei den Bienchen und Blümchen beginnen, besann mich aber und klärte ihn kurz auf:"Grandiose Idee, geht aber nicht!" Ein Mikro muss her. Er schlug sich an den Kopf "Jau!" und zog von dannen, um ein Mikro zu organisieren. Wohlgemerkt, in unserem Rider ist ziemlich eindeutig ein Mikro zur Ampsabnahme spezifiziert! Und selbst dann.....göttlich!!!
 
Jawoll, schön zu lesen! :top: Danke, dass Du uns so teilhaben läßt ..

Gruß,
Sven
 
Hallo,

gibst eigentlich was neues von der Front? War sehr kurzweilig zu lesen!

Gruss aus dem Saarland von Juergen2, der sich gleich auf nach Kölle macht
 
Gigtagebuch Teil 3

Mal was ganz anderes: Die Partymucke spielt auf einer Hochzeit, und zwar einer ganz speziellen: Italiener heiratet Inderin! Beide in Deutschland geboren, aber mit einschlägiger Verwandtschaft gesegnet, die – gewandet wie aus dem Handbuch der großen Vorurteile – aus der ganzen Welt von Palermo über New York, Kalkutta (Vorstadt), Rotterdam bis Unterflockenbach angereist war. Entsprechend bunt war das Büffet. Unser kleines Besteck in einem lauschigen Dorfgemeinschaftshaussaal kommt kaum zur Anwendung, weil die männliche indische Verwandtschaft die Schallquellen im Handstreich nimmt und indische Discomusik laufen läßt, zu der sie ausgelassen herumhüpft, während die – teilweise äußerst angenehm anzuschauenden – Mädels mit niedergeschlagenen Augen brav an den Tischen sitzen. Insgesamt haben wir 18 Titel gespielt, die Kohle hat gestimmt und abgebaut war auch schnell.

RUST spielt in unserem Wohnzimmer, dem Brummistadl. Das Wetter ist erfreulich, man hat uns wieder den Tieflader vor das Haus gestellt und wir turnen darauf herum. Der Fanclub ist vollzählig und schneidet auf Camcorder mit. Um 22:05h wird die Veranstaltung durch die Ordnungskräfte beendet, da sich ein Stadtrat beschwert hatte, der ganz gewiß nicht in dieser Gegend wohnt… Aber so lange war es prima.

Tags darauf ist die Partymucke kerwetechnisch unterwegs und, was soll ich sagen: ES GEHT DOCH! Bühnen- und FOH-Sound vorbildlich, ein tanzfreudiges, wohlwollendes Publikum, das sich ohne nennenswerte Ausfälle amüsiert und eine ausgezeichnet gelaunte und entsprechend aufspielende Band. So hätte ich es gerne öfter.

RUST spielt im Lord of Kerry in Worms, wo der Chef seinen Geburtstag von uns musikalisch untermalen läßt. Wir bekommen es hin, mit Bio-Schlagzeug und ohne in´s Pult gespielte Modeler, sondern mit richtigen Amps Druck zu machen, ohne dass der Kitt aus den Fenstern bröckelt. Die Frau des Bassisten, der hier vielleicht seinen letzten Gig mit uns spielt, meinte, uns noch nie so gut und ausgewogen gehört zu haben. Weiber!

Es folgt die Goldene Serie des Acoustic-Duos.

Angefangen mit dem postmodern eingerichteten, sehr weitläufigen und scheinbar einzigen Bistro eines noch nicht eingemeindeten Ortes vor den Toren von Ludwigshafen. Es ist Samstagabend, und es gibt offensichtlich keinen anderen Ort in der Gemeinde, an dem man sich treffen könnte. Dementsprechend ist das Publikum sehr unhomogen: Cliquen von heranwachsenden Rauchern, die scheinbar nur zum Telefonieren und Saufen gekommen sind, wenn sie sich nicht gegenseitig anbrüllen; friedliche tätowierte Motorradfahrer in Kutte; ältere Herrschaften, die eigentlich speisen wollten, und eine Handvoll Mittelalter, die in der Hoffnung auf eines der wenigen kulturellen Ereignisse in der präurbanen Ansiedlung erschienen sind. Es ist uns Dank des breitgefächerten Repertoires gelungen, die Lokalität lebend zu verlassen und wurden wieder gebucht.

Und jetzt: die Theaterklause in Ludwigshafen! Dass solche Kneipen immer an der falschen Ecke stehen… Von der Größe eines Schuhkartons Gr. 52, brauchen wir dort nur eine Lautsprecherbox. (Eigentlich könnten wir die Gäste ja auch direkt anschreien, aber das ist über den Abend verteilt doch zu anstrengend). Zuvorkommende Chefs, eine ältere, aber ausgesprochen enthusiastische Schar von Stammgästen und ein netter, angenehmer Gig. Gleich vier weitere Termine vereinbart. Richtig: tags zuvor hatten wir noch eine einstündige Sendung live in einem winzigen Lokalsender gemacht, die keine Menschenseele gehört hat, die aber auch Spaß machte.

Kneipen an falschen Orten die zweite: ganz am Ende einer Vorstadtsiedlung (die typischen Einheitshäuser in ewiglanger Reihe, davon jedes mit allerlei Geschwüren verziert; mal als Garage getarnt, mal für die Karnickel oder als Windfang verkleidet) hat sich hier jemand einen Traum erfüllt. Beim Eintreten läuft auf dem großen Bildschirm John Fogerty live mit einer tollen Besetzung. Die Wände hängen voller Memorabilia und echter Autogramme, die Einrichtung ist liebevoll und akribisch zusammengestellt und die aufgearbeitete große Wurlitzer Musicbox ist mit originalen alten Singles bestückt. Ein Traum für Nostalgiker! Mal sehen, wie lange er noch durchhält: wir geben einen sehr konzertanten Abend für acht Leute, den Chef und die Bedienung mitgerechnet.

Am übernächsten Tag das komplette Gegenteil: der mittelgroße Vorstadt-Asi-Treff, bis auf den letzten Platz besetzt mit allen, die sich nicht in ein Restaurant trauen. Der Tagesgong war eine schätzungsweise 17-jährige Mastelfe der Zwei-Bauchringe-Klasse, die ihre Schenkel an allem rieb, bei dem sie ein Schwänzlein in der Hose vermutete und uns bei laufendem Song „Schneller, schneller!“ antrieb. Ich verlor die Contenance und merkte – nachdem wir den gerade gespielten Titel beendet hatten ! – an, sie möge doch für ihre Lieblingsbeschäftigung auf einen schnelleren Titel warten, da nicht einmal Heidi Glum mich dazu veranlassen könne, einen einmal begonnenen Titel zu beschleunigen. Mich hat man gehört, denn ich hatte das Mikrophon. Warum die uns wieder haben wollen, ist mir ein Rätsel. Ich glaube, dort lasse ich mich ausnahmsweise vertreten.

Die Partymucke ist unterwegs. Zur Feier eines runden Geburtstages hat die Festsau eine Pizzeria angemietet. Die Anzahl der Gäste läßt sich nur mit Mühe auf die vorhandenen Stühle verteilen, die 6-köpfige Kapelle wird in eine Nische von der Größe eines Mercedes Benz SLK gequetscht. Der Aufbau mittags ähnelt dem Problem, eine Kontaktlinse in ein völlig übernächtigtes Auge zu zwängen: was wir sonst in 30 Minuten erledigt gehabt hätte, dauerte zwei Stunden, und ich hatte nur das DG-Stomp dabei! Um 22:00h sollten wir anfangen. Anstatt zu essen gab es nichts zu trinken ( na ja, später dann doch), und wir waren pünktlich wieder da. Bei unserem Eintreffen wurde aber gerade der Hauptgang serviert, so dass wir letztlich gegen 23:30h anhuben. Dafür ging es dann bis in den Morgen, so dass ich um 04:30h heimkam.

Habe ich schon mitgeteilt, dass ich Wecker hasse? Kurze Zeit später holt er mich aus dem Koma, weil das Duo in einer alt eingesessenen Seckenheimer Kneipe mit sehr gutem Essen zur Kerwe aufspielt. Die reichen Bauern auf dem Altenteil, die ihre Äckerchen für Unsummen an die blöden Städter vertickt haben, die unbedingt ein Eigenheim wollten, finden sich dort genauso wie ganze eingeborene Familienklans. Die restlichen Plätze werden mit Laufkundschaft aufgefüllt, die dem Duft aus der Küche gefolgt sind. So haben wir drei Generationen zusammen, die im Laufe unserer Bemühungen einmal komplett durchwechseln, wobei sich die zuletzt eingetroffene Besatzung häuslich einzurichten scheint. Nach einem ruhigen Beginn, bei dem uns der Rentnertisch bei weitem übertönt, gewinnt das Geschehen zunehmend an Dynamik. Säuberlich nach Altersgruppen geordnet, fängt erst das Mittelalter an, mitzusingen. Dadurch angespornt, bringen wir die Gassenhauer aus allen Rohren, so dass auch die Heranwachsenden beginnen, es cool zu finden. Mißbilligende Blicke aus der Geriatrieecke werden durch lauteres Singen und Klatschen beantwortet, so dass der Alterspräsident, der allem Anschein nach schon Luft ansog um für Ordnung zu sorgen, sich angesichts dieser Übermacht eines besseren besann und zaghaft auf die 1 und die 3 mitklatschte. Damit war das Eis gebrochen, und wir haben – rein aus Promotiongründen, versteht sich! – kraft eigener Willkür die vereinbarte Auftrittszeit um fast zwei Stunden überschritten. Wir konnten zwei weitere feste Termine, einen netten Batzen Bargeld und eine leichte Heiserkeit mit nach Hause nehmen.

Zwischendurch war das Duo immer mal wieder im Wohnzimmer, dem Brummistadl. Davon ist nur das letzte Mal erwähnenswert: der Wirt hat es mit seinen Launen wohl etwas übertrieben, und nach Rauswurf zweier Bedienungen blieb ein ziemlicher Teil der Stammkundschaft aus. Was hingegen kam, war eine Aushilfe nebst Gatten und einigen Freunden, die sich zunehmend lautstark über noch ausstehende Zahlungen für die Aushilfstätigkeit unterhielten. Das Angebot einer Nasenverformung beantwortete der Wirt mit dem Griff nach einem ausgewachsenen Dreschflegel; allerdings sorgten die inzwischen von der Thekenschlampe herbeigerufenen Ordnungskräfte allein durch ihr Erscheinen für Abkühlung der erhitzten Gemüter. Bei unserem letzten Set wurde die Stimmung aus unbekannten Gründen aber nicht mehr so richtig ausgelassen, was der Wirt auch beim Abschied bemängelte. Einen Kommentar verkneife ich mir.
 
mad cruiser":git7ag9i schrieb:
Zwischendurch war das Duo immer mal wieder im Wohnzimmer, dem Brummistadl. Davon ist nur das letzte Mal erwähnenswert: der Wirt hat es mit seinen Launen wohl etwas übertrieben, und nach Rauswurf zweier Bedienungen blieb ein ziemlicher Teil der Stammkundschaft aus. Was hingegen kam, war eine Aushilfe nebst Gatten und einigen Freunden, die sich zunehmend lautstark über noch ausstehende Zahlungen für die Aushilfstätigkeit unterhielten. Das Angebot einer Nasenverformung beantwortete der Wirt mit dem Griff nach einem ausgewachsenen Dreschflegel; allerdings sorgten die inzwischen von der Thekenschlampe herbeigerufenen Ordnungskräfte allein durch ihr Erscheinen für Abkühlung der erhitzten Gemüter. Bei unserem letzten Set wurde die Stimmung aus unbekannten Gründen aber nicht mehr so richtig ausgelassen, was der Wirt auch beim Abschied bemängelte. Einen Kommentar verkneife ich mir.


Alter!

Das erwähnst du so beiläufig, dabei ist es das Highlight! Szenen, wie sie das Leben schreibt. Da wäre ich gerne dabei gewesen! :mrgreen:
 
hallo,

selten so unterhaltsames gelesen. :dafuer:

Meine Frau wunderte sich nur weil ich mehrmals laut losgelacht habe. :lol:

Du solltest Bücher schreiben.... :clap:

gruß
Herbert
 
Hi,

meine Kollegen im Büro wundern sich auch wieso ich frühmorgens schon mit breitem Grinsen in den PC schaue...mach bloss weiter bitte!
Sehr kurzweilig, danke!

Gruss

Juergen2
 
Glosse: Die drei höchsten Feiertage des Gebrauchsmusikers…

…sind Silvester, Faschingssamstag und der 30. April. An diesen Tagen findet traditionell organisiertes Kollektivabschwitzen des Pöbels mit Beiprogramm statt. Auftrag des musikalischen Dienstleisters zu diesen Terminen sind das ständige Aussenden grober Signale und der perpetuierte Appell an die niederen Instinkte der Masse. Da dies im Regelfall mit Musik höchstens während des ersten Sets noch etwas zu tun hat und im Laufe des Abends eher einer verzweifelten Lärmerzeugung weicht, bekommt der Akteur an diesen Abenden auch keine Gage, sondern Schmerzensgeld. Ist dieses hoch genug bemessen, wird das eine oder andere Musikergewissen geschmeidig.

So geschehen gestern in der Sporthalle einer Odenwälder Ansiedlung, die diese Tradition besonders pflegt, seit anläßlich der nämlichen Veranstaltung vor einigen Jahren der Bürgermeister der Verbandsgemeinde einen unehelichen Sohn zeugte. Der Name ist der Redaktion bekannt.

Zwei Bands, die mit großem Besteck jeweils alle 30 Minuten wechselnd für Dauerbeschallung sorgten, knapp über 1700 zahlende Teilnehmer, fünf Bars in allen Räumen des Hauses einschließlich der Duschen, allerdings zu Lasten eines irgendwie gearteten Backstagebereiches. PA und Licht waren schon tags zuvor einbetoniert und abgespannt worden, Schlagzeuge und Keyboards hatten den Soundcheck ebenfalls schon erledigt.

Obwohl ich es besser hätte wissen müssen, hatte ich für das eigene Wohlbefinden das kleine Rack dabei – ungeachtet der bekannten Tatsache, dass alle Kollegen ihre ältesten Fußleisten: Korg AX irgendwas, Digitech Wundervoll 1982 und so am Start hatten. Das sollte sich später rächen!

Um 18:00h sollte der Soundcheck beginnen. Aus nicht gänzlich nachvollziehbaren Gründen begann er tatsächlich mit nur 10 Minuten Verspätung, was mir sofort verdächtig hätte vorkommen sollen. Nun denn, ein SM 57? OK, das nehmen wir. Gegen 19:00h waren die Kollegen der anderen Band fertig, wir machen einen kurzen Check und gut ist. Eine Stunde herumlungern, andächtig in der Nase bohren, einen Sekt-Orange auf gutes Gelingen und ein Pinkeln auf Vorrat, da zum Erreichen der Fliese später eine Saaldurchquerung erforderlich wäre, die man auch gerne gegen eine Fußreise nach Rom hätte tauschen wollen.

Nun denn. Wir beginnen um 21:00h, der Bühnensound ist hervorragend, nur die leere Halle produziert ein wenig Delay von der gegenüberliegenden Wand. Die Band spielt locker, aber konzentriert, Einsätze und Chorstimmen passen perfekt, noch geringfügige Feinabstimmung an den Monitoren zwischen den Titeln. Wechsel; die Kollegen beginnen. Oha! Die machen ganz schön Dampf! Entspannt lehne ich hinter unseren Keyboards und beobachte das Treiben, lausche der Band, die verdammt gut ist. Der Saal füllt sich langsam. Unser zweiter Set läuft gut, leider müssen die Monitore nachgeregelt werden, weil die Lautstärke doch ein wenig zugenommen hat. Die Kollegen übernehmen. Etwas angespannt lehne ich hinter unseren Keyboards und beobachte das Treiben, lausche den Klängen und überlege, warum ich die Ohrenstöpsel vergessen habe. Der Saal ist voll, das Rauchverbot wird nur geringfügig unterlaufen, die PA muß etwas lauter gemacht werden, um die Unterhaltung der Massen zu übertönen.

Zeitsprung. Unser vierter Set läuft, leider hört man die Monitore fast nicht mehr. Ich drehe meinen Amp etwas zu mir, bleibe aber trotz heftigen Zuckens der rechten Hand in Richtung Mastervolumen standhaft. Der Saal platzt aus allen Nähten, das Rauchverbot wird nur geringfügig unterlaufen, die PA muß etwas lauter gemacht werden, um die Unterhaltung der Massen zu übertönen. Die Maskenprämierung ist unverständlich, ein Teil der Preise kann nicht ausgehändigt werden, weil die Gewinner am Rauchen, an der Bar oder unter… Ne, draußen schneit es. Vielleicht im Auto. Irgendwie stehe ich den neunten oder wievielten Set durch. Die Kollegen übernehmen. In tiefster Verzweifelung krümme ich mich in irgendeiner Ecke. Die Gehirnverdunkelungskappe im einen Ohr, das Handtuch im anderen, darunter zwei Zigarettenfilter, darüber ein geschlossener Kopfhörer, den ich mir von den PA-Leuten geliehen habe. Die Gitarristen der anderen Band sind so laut über ihre Monitore, dass meine Plomben anfangen zu schmerzen. Bassdrum und Bass drehen mir den Magen herum und lassen meine Augen tränen. Wie gut, dass ich nichts gegessen habe – die Essensausgabe ist am anderen Saalende, und ich hätte es nie im Leben zurück zur Bühne geschafft.

Unser siebenundzwanzigster Set (gefühlt). Gekrümmt stehe ich irgendwie hinter dem Mikroständer und halte mich an meiner Gitarre fest, oder sie sich an mir – wer kann das so genau sagen! Die PA mußte geringfügig lauter gemacht werden, weil das Publikum mitgrölt. Allerdings zu einem anderen Song. Oder zweiunddreißig. Der Lärm ist gigantisch. Würde ich jetzt in das Mikro furzen, würde ich damit wahrscheinlich ein Erdbeben auslösen. Meine Gesichtszüge beginnen zu entgleisen. Ich fühle, wie meine Ohren ich sich hineinkriechen. Irgendwann ist der Set zu Ende. Die Kollegen übernehmen. Ihr Viertelstundenmedley, das nur aus Schlagzeug und – Gesang? Besteht: Heeeeheeeheeeeeeooo, we will rock you undsoweiteramstück, ist erfrischend, denn die beiden Gitarren, die beständig versucht haben, mir die Augäpfel zu tranchieren, fehlen und die Bassdrum hat einen wundervollen trockenen Sound – ungefähr wie eine 175mm Feldhaubitze, aber mit erheblich schnellerer Schußfolge. Jetzt merke ich erst, dass es der Bass war, der mir den ständigen Brechreiz verursachte.
Egal. Wir haben angefangen, also kann ich die Chance wahrnehmen und schon abbauen, bis die Kollegen gegen halb vier Uhr alle Verbliebenen in die Bar gescheucht haben…

WAS????? WOHIN?????? IN DIE BAAAAAAAAAAAR??????
Genau. In die Bar. Die hinter der Bühne. Dort, wo der Bühnenausgang ist. Dort stapeln sich die Massen fünfschichtig und siebenreihig. Dafür ist ist der Saal jetzt deutlich leerer, bis auf die Klumpenbildung vor dem Ausgang. Es dauert ein wenig bis man dort ist. Die Schuhsohlen neigen dazu, sich im Parkett festzukrallen und man kann sie nur mit einem obszön schmatzenden Geräusch vom Boden lösen. Vor der Halle auf dem Parkplatz ein netter Anblick: es hat ein wenig geschneit und heftig gefroren. In der Nähe des Eingangs kann man recht komfortabel auf einer 5 cm dicken Schicht aus Kippen laufen. Einige Meter weiter, Richtung Ausgang des Parkplatzes, sind einige handgreifliche Diskussionen über Reihenfolge der Taxibenutzung im Gange. Ich hole mein Fahrzeug unter Drohgebärden einiger Besucher mit eindeutigem Migrationshintergrund sowie einiger testosterongeschwängerter Eingeborener zum Halleneingang und schleife meinen Krempel unter ständiger Klebung meiner Schuhsohlen von der Bühne dorthin. Die spöttischen Blicke meiner Kollegen, die gerade ihre Fußleiste in einen Gigbag schieben und ihn sich über die Schulter hängen sowie die Flüche der Klumpenbilder am Ausgang, ob ich denn nicht aufpassen könne, verfolgen mich. Noch 35 km Fahrt. Nein, heute nehme ich keine Anhalter mit. Besonders, nachdem ich vier Taxen überholt habe, deren Insassen gerade den Mageninhalt in den Straßengraben leeren. Um 04:55h komme ich zuhause an.

Ich glaube, ich trage wieder Zeitungen aus.
 
Einfach großartig geschrieben.

danke, Jörg. Das hilft mir wieder einmal leicht darüber hinweg, dass aus mir niemals ein richtig aktiver Musiker geworden ist.

Spätestens am 1. Mai will ich wieder an deinem Leiden teilhaben !! ;-)
 

Ähnliche Themen

A
Antworten
1
Aufrufe
36K
Zurück
Oben Unten