Gigtagebuch Teil 11 - Heute mal kein Gig, sondern Audition
„Gesuch! Gitarrist/in für ambitionierte Band/ Raum/MA-HD!!
Hallo, DRINGEND! Wir suchen einen versierten Gitarristen der ein breites Spektrum hat! Wir (3xGesang, Keyboard, Bass, Schlagzeug) mit VIEL Potenzial und noch mehr Spaß, suchen zur Vervollständigung unserer Band eine, en Gitarrist/in! wir machen Cover- Pop/ Rock/ Funk, Jazz, Soul. also ein Breites Musikalisches Spektrum. Vielleicht hast du ja Interesse in einer tollen Band mitzuwirken bei der schon einige Gigs anstehen, und noch dazu eine Tolle Truppe ist . Auftrittsmöglichkeiten, Proberaum, Spaß und gt. Laune so wie sgt. Connections sind vorhanden! Bitte meldet euch!“
Das war die Anzeige, die mein Interesse weckte. Breit ist nicht nur mein SpeckTrum, und in einer tollen Band wollte ich schon immer mal spielen. Anstehende Gigs ziehen mich ohnehin magisch an!
So wurde denn flugs ein Termin zum Vorspiel vereinbart. Aber nicht ohne folgende Anekdote: Die Frage nach meinem Alter beantwortete ich zutreffend, jedoch leicht unpräzise mit 50+... Aussage des Bassisten:
„... über 50J würde aber ganz schön unsere Altersschnitt nach oben schrauben, da musst du aber schon gut sein ;-)“
Da der Keyboarder noch in Urlaub weilte und die Leadsängerin am Wochenende heiraten wollte, habe ich das vorsichtshalber um eine Woche verschoben und zwei Kollegen die Chance zum Glänzen gegeben. Da sich die Band nach jenem Termin noch nicht festgelegt hatte, habe ich dann mal mit den mir aufgegebenen Stücken begonnen:
- Long train running / Doobie Brothers
- Rebel yell / Billy idol
- Heavy cross / The Gossip
- Message in a bottle / Police
- Sex on fire / Kings of Leon
Die Ansage war
„Wir sind eine Cover Band die sehr viel wert auf eine genaue und gute Umsetzung der Songs legt. Wir möchten uns auch einfach von der breiten Masse an Cover Bands abheben, und dass gelingt uns auch recht gut.“
Beim Anhören der Titel denke ich: Wow! Die haben einen Plan! Die wissen, was sie von ihrem zukünftigen Gitarrenmann hören wollen und haben sich die Nummern herausgepickt, wo sie ihn an den Eiern packen können! Vorneweg zum Einlullen die Doobies, und dann achten wir mal auf´s Filigrane...
Ja, dann.
Nachdem man sich gegenseitig am Vortag noch versichert, dass der geplante Termin stattfindet, begibt sich dieser greise Pentatoniker pünktlich zum Ort der Veranstaltung. Es ist dies eine über Außentreppe erreichbare im 1. OG gelegene unbelüftete Schuhschachtel von ca. 15qm zum Vorzugspreis von 190,- Euro/mtl. Anwesend sind der Bassist, mit dem ich telefoniert hatte, und der Schlagzeuger, dazu 1,5 Schlagzeuge, eine Bassanlage mit 8 x 10“ Box, ein kleines Behringer-Pult und zwei 12/2 Boxen. Ach ja, ein herrenloses Keyboard stand noch in einer Ecke.
Die Sängerin verspätet sich um eine halbe Stunde, der Keyboarder hat Nachtschicht, die zweite Sängerin kommt nur alle 14 Tage wegen der Kinder, also heute nicht, und der Sänger hat kurzfristig abgesagt wegen Issnich.
Wenn ich das gesagt hätte, was mir auf der Zunge lag, hätte ich meinen Zentera später alleine die Treppe wieder ´runterwuchten können... (Übrigens: warum den Boliden? Auf meine Frage, wie leise denn geprobt werde, oder ob sogar direkt in´s Pult, kam die Antwort:
„unser alter Gitarrist hat über einen Marshall gespielt und der letzte
Gitarrist der mit einem kleinen Combo vorgespielt hat, hatte das ding abgefackelt;-) Also wir Proben jetzt nicht Tierisch laut. Dass Schlagzeug ist zwar etwas Gedämmt, hat aber immer noch ne gewisse grundlautstärke und keinen Lautstärkeregler;-)“
Das brachte mich in´s Grübeln, und ich wollte auf Nummer Sicher gehen. Der ehemalige Gitarrist spielt nämlich hauptberuflich in einer Judas Priest-Coverband.)
Wohlan denn!
Bis zum Eintreffen der Sängerin überlegen wir gemeinsam, welche Stücke, vorbereitet oder nicht, denn probiert werden könnten. Wir müssen uns ein wenig beeilen, denn um 21:00h kommt ein Kollege, der sich ebenfalls um den Job bemüht.
Das Mädel trifft ein, und wir beginnen. Ja, sie trifft den Ton. Sie liest zwar die Texte ab, intoniert aber sauber. Ungefähr wie jede beliebige Göre von Juni bis Silbermond, Jeannette Ackermann, Christina Außenstürmer, Luxuskrach oder dergl. Warum sie meint, sich ausgerechnet an Heavy Cross versuchen zu müssen, bleibt mir rätselhaft. Das Original ist nun weiß-der-Himmel nicht die Jahrhundertstimme, zu der sie mitunter ausgerufen wird, aber das hier ist ein lauwarmes Lüftchen. Wenn das Mädel Titten hätte wie Selbstbewußtsein, würde sie vornüber kippen. Da der Drummer und ich uns ziemlich streng am Original orientieren und der Bassmann mit seinem 5-Saiter ebenfalls Luft bewegt, klebt sie beim Refrain mit dem Rücken an der Wand. Jo-ho, jo-ho!
Message in a bottle geht irgendwie noch, bei Long Train Running singe ich sie ohne Mikrophon in Grund und Boden, obwohl ich keine besonders kräftige Stimme habe.
Mag ja sein, dass sie Beziehungen haben und ein paar ordentliche Gigs an Land ziehen können, wenn mal zufällig alle beisammen sind, aber ich glaube, davon soll ein Kollege profitieren.
Ach, übrigens: die Titelauswahl, die ich hoffnungsfroh und zuversichtlich als Absicht interpretierte, einen neuen Gitarristen schonmal bei der Audition an die Grenzen zu führen, um alsdann mit ihm mit Herz, Hirn und Arsch gemeinsam zu musizieren, war nichts als reiner Zufall. Wieder reingefallen!