Hallo Nachtalb,
ich finde Deinen Beitrag sehr lesenswert, und teile z.T. Deine Skepsis betreffend der hohen Preise bei Marken- oder Kult-Gitarren.
Durch J.Hendrix` wurde ich auf die Stratocaster aufmerksam und kaufte mir Anfang der 70er eine Original für damals 1800.-DM, hab sie aber wegen Geldproblemen Anfang der 80er verkaufen müssen.
Kürzlich hab ich mir einen Strat-Nachbau Fabrikat „Clifton“ (China) für 49,50 Euro (!) gekauft Die ist fabrikneu und war ursprünglich bei „Plus“ für 129 Euro im Angebot, und wurde nun bei „Billix“, einer Tochter von „Plus“, bei der nicht losgewordene Aktionsware regelrecht verramscht wird, angeboten.
Dieser Set mit Verstärker und Zubehör, wurde Ende letzen Jahres in allerlei Discountketten (Aldi, Norma, Plus usw,) unter verchiedenen Namen angeboten. Offenbar kommen diese Sets vom gleichen (Massen-) Hersteller, bekamen lediglich andere (Fantasie-) Namen, und unterschiedlich gestylte Kopfplatten. Die Preise waren sehr unterschiedlich, ich glaube Aldi war der billigste für 99,- Euro, Plus und Norma wollten 129,- Euro haben, und ich glaub da gab es sogar Angebote anderer Supermärkte bis zu 170,-Euro.
Zusammenfassung.
Bei der Original-Strat waren Hals und Bünde nicht zu beanstanden, und ich unterstelle, daß die Hals-Hölzer sehr gut abgelagert waren. Das hat natürlich seinen Preis.
Der Rest der Original-Strat war (aus heutiger Sicht) nicht sonderlich gut verabteitet. Die Befestigungs-Schrauben dieser Korpus Deckplatte („Schlagbrett“), waren lieblos und entsprechend schief „reingeknallt“ (auch die auf der Rückseite an dieser rechteckigen Abdeckplatte. Nach einmaligem rausschrauben waren die Gewinde im Holz fast schon kaputt.
Die aus den drei Tonabnehmern jeweils 6 etwas herausstehenden Weicheisenstäbe waren schon nach einigen Wochen angerostet (der schlampig aufgebrachte Klarlack half auch nichts). Der Spannstab bzw. die Spannmutter des Halses war unerreichbar (bekanntlich war die Spannmutter früher auf der Korpusseite), die Halbrunde Aussparung an Korpus und Resopaldeckplatte ein Witz, hätte man auch weglassen können. Die kleinen 6 verstellbaren Saitenbrückchen waren simpelst aus Blech gebogen, die Gewinde darin schon ausgeleiert (natürlich erst zu merken wenn die Seiten runter sind). Klar die Brückchen mußten ursprünglich nicht schön aussehen, denn damals hatten die Strats darüber noch eine aufgeklemmte und abnehmbare verchromte Blechkappe, die aber praktisch von den meisten Gitarristen gleich abgelassen wurden. Das Gewinde des „Jammerhakens“ war auch nicht sonderlich koscher, entweder klappert der Hebel im Gewinde oder er ist genau richtig satt dafür aber an der falschen Stelle (falscher unbedienbarer Winkel), das Problem dürfte aber so alt wie die Strat selbst sein.
Das Material den Korpus war nach meiner Erinnerung nichts besonders, es könnte sogar ein zusammengeleimtes Mischmasch aus Holzabfällen gewesen sein.
Das Material des Korpus ist hier, da nicht akustisch mitwirkend, prinzipiell eher zweitrangig, es muß die Saitenzugkräfte aufnehmen (darf kein „Eigenleben“ führen) und sein Gewicht muß für einigermaßen gute Balance der ganzen Gitarre sorgen (wenn sie im Gurt hängt). Dann muß das Korpusmaterial mindestens in der Lage sein, Holzschrauben vernünftig zu halten, und das Gewinde im Holz (oder sonstigem Material) darf nicht nach einmaligem rausschrauben einer Schraube schon verkorktst sein (hier hatte die original Strat denkbar schlechte Karten).
Ich hatte aber über diese Unzulänglichkeiten hinweggesehen, sie verdrängt, wollte sie nicht wahrhaben, denn es war ja die Gitarre meines Idols. In den Laden zurückbringen und mein Geld zurückverlangen hätte mir ja nichts gebracht, es gab ja kein Alternative, entweder hat man ne Strat, oder eben keine.
Ich habe nun mal rein mit dem Gefühl, dem Bauch gekauft, der Preis war für damalige Verhältnisse ein Vermögen. Das war mir es aber wert, für mich war das Teil mehr als ein reines Industrieprodukt, es hatte für mich eine Seele, die quasi vom Künstler (Hendrix) durch seine seelenvolle Musik in das Instrument „eingehaucht„ war (mein Ehrgeiz, und der vieler anderer auch, war nun, dem Instrument ebensolche seelenvolle Töne und Musiken zu entlocken...).
Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, gab es damals noch nicht so umfassende ins Detail gehende Testberichte, und es war auch nicht so thematisiert wie heute. Es gab zwar ein paar Fachzeitschriften, z.B. „ (Riebes-) Fachblatt“, die sich auch mit der „Hardware“ beschäftigten, aber über die Qualität des Instrumentes wollte ich gar nichts wissen, warum auch, es gab ja wie gesagt keine Alternative. Ich wollte eben ein Teil haben, auf dem „Fender Stratocaster“ draufstand. Daß mir deshalb die Gitarre zwar nichts abnimmt, sondern ich viel üben und experimentieren mußte, um entsprechendes zu entlocken, war mir schon klar.
An diesem Kult hat sich Fender dumm und dämlich verdient, dabei hatten die als Monopolost absolut keine Veranlassung, die (mechanische) Qualität zu verbessern. Somit lieferte die Firma für meine Geschmack für viel Geld eine nicht adäquate Gegenleistung. Im Kaufpreis stecke ein beachtlicher Teil Kult.
Der Firmengründer Fender soll sich angeblich lange stur gegen Änderungen oder Verbesserungen gestellt haben. Z.B hätte er sich geweigert den Dreistufenschalter in einen Fünfstufenschalter umzuändern, obwohl viele Gitarristen den Schalter praktisch schon so handhabten, indem sie mit Gefühl den Schalter in die Zwischenstufen brachten. Erst als Fender seine Firma verkaufte, also das Zepter abgab, wurde von den neuen Chefs der Schalter geändert.
Nun zu der „Plus“-Gitarre.
Erst mal ist es ungewöhnlich kundenorientiert, wenn man sieht, daß hier nichts vergessen wurde. Der Karton enthält wirklich alles um gleich drauflos zu spielen, bis hin zu zwei Plektrums. Alles ist schön in Tütchen verpackt. Der Kopfhörer hat zwar einen durschnittlichen und brauchbaren Klang (z.B. für nen Walkman) die Führung der Bügelverstellung ist aber eine Fehlkonstruktion, so das sich die Hörmuscheln verdrehen können und nicht sauber am Ohr plan anliegen. Der Verstärker ist zu schwachbrüstig.
Verstärker und Kopfhörer (auch der billige Tragegurt, das Notenheft und die CD) hätte man weglassen können, zugunsten eines noch günstigern Preises, oder einer noch besseren Qualität der schon beachtlich gut verarbeiteten Gitarre. Wobei mir jetzt spontan nichts einfällt, was da noch verbessert werden könnte. Vielleicht bessere Saiten, besseres Bundstäbchenmaterial, besseres abgelagertes Hals-Holz (ich weiß ja nicht, ob das Material nicht schon gut genug ist, das wird die Zeit zeigen...).
An den Mechaniken ist nichts zu bemängeln, besagte Brückchen sind wie heute üblich aus vollmaterial und verchromt. Der Hals und die Bünde sind gut verarbeitet (die Enden der Bundstäbchen könnten noch einen Deut besser gerundet „entschärft“ sein, es geht aber gerade noch so, da war eine „Squier“ von vor 15 Jahren schlechter verarbeitet).
Nichts tscheppert, die Bünde und die Oktaven sind rein, was will man mehr, die Saitenlage normal, der Hals gerade.
Ob die Saiten rostfrei sind weiß ich noch nicht, jedenfalls habe ich nach dem Spielen immer kohlschwarze Finger, weil die Saiten mit irgendwas eingefettet sind.
Inwieweit das Hals-Holz abgelagert ist, weiß ich nicht, mit der Zeit wird sich zeigen, ob sich da was verändert.
Nun hab ich nach 25 Jahren mal wieder ne Gitarre in der Hand, die mir, zusammen mit meinem alten aber größeren Kofferverstärker, quasi wieder ein Strat-Gefühl gibt. Sie ist wie das Original sehr „spielwillig“, ich hab es immer so ausgedrückt, die Strat will, wie ein störrischer Gaul der permanent losgaloppieren will, fast von selbst spielen, der Spieler bremst sie lediglich mit seinem Spiel, diszipliniert sie, hält sie quasi im Zaum.
Ich kann die Gitarre nur empfehlen, für den Preis ist sie eine Sensation.
Es ist mir unverständlich, wie hier im Thread einige schon pauschal und ungesehen dieses Instrument so schlecht machen wollen.
Ich kann einem Schreiber hier nur zustimmen wenn er sinngemäß sagt, daß ein guter Musiker auch aus einem billige Instrument gute und seelenvolle Musik hervorbringen kann.
Und nicht selten ist es doch so, daß so manche Musiker ihre musikalische Mittelmäßigkeit mit teureren Instrumenten zu kaschieren versuchen.
Jedenfalls kann ich für 49,50 Euro nicht meckern, ja für regulär 129,-Euro kann man das eigentlich auch nicht.
Als ich das Teil vor einer Woche kaufte, standen dort noch 5 Kartons. Gestern waren keine mehr da. Sie waren aber nicht verkauft, sondern wurden zurückgeschickt, wegen Unverkäuflichkeit (selbst bei 49,50 Euro !).
Das ist das Ergebnis von Vorurteilen, mir solls Recht sein, denn ohne diese Vorurteile hätte ich das Instrument nie so billig bekommen.
Gruß, Wuschel