Hallo liebe Röhrenamp-Fangemeinde,
nach Eurer extrem leidenschaftlichen Debatte über P2P vs. Platine möchte ich Euch noch an meinen Gedanken teilhaben lassen:
1. Zum eigentlichen Thread "AC30 P2P oder Platine" kann ich keine wirklich überzeugenden Argumente in eine der beiden Richtungen liefern. Ich habe einen HW AC30 mit Mastervolumen (also voll contra-vintage sozusagen). Der war nach typischer Marketing-Bullshit-Manier viel zu teuer, und ich bin wg. dieses Amps überhaupt nicht in den Laden reinmaschiert. Ich wollte irgendwas total anderes antesten, habs vergessen.
Und dann steht das dieser Amp, und ich stöpsel den einfach ein.
Und dann überkommt mich dieser wirklich sehr harmonische, recht mittenreiche Overdrive-Sound, der hat mich echt umgehauen!!!
Dieser Sound an 2x Blue Bulldog und das sehr schöne Aufklaren des Sounds beim Zurückdrehen des Vol.-Potis hat mich dann (damals noch ohne Kind!) dazu bewogen, alle Zellen im Grosshirn auszuschalten und einfach zu kaufen. Das war glaube ich mein erstes Zusammentreffe mit einem P2P Amp.
Danach gab es vo Vox dann die Korg-Vox-AC30CC Typen, die soundlich ja wirklich prima sein sollen. Leider habe ich die nie gespielt. War halt glücklich mit meinem.
Und selbst wenn ich die gespielt hätte, hätte ich für den Vergleich meinen eigenen dabei haben müssen, um einen ECHTEN Vergleich machen können. Und gleiche Gitarre etc. Also müsste ich meinen kompletten Vox in einen Laden wuchten, um es richtig zu machen.
Also halte ich mich hier an die Mehrheit des Feedbacks, das ich im Laufe der letzten Jahre gehört habe:
Beim AC30CC Platine ist der Sound und die Variabilität klasse. Es gibt manchmal technische Schwächen, davon habe ich aber nicht so viel gelesen.
Meine Empfehlung nach 30 Jahren Gitarre spielen und 10 Jahren hardcore-mässig Amps Kaufen, Spielen und teilweise wieder verkaufen:
- Amp im Laden/beim aktuellen Besitzer spielen
- Beim Laden versuchen, einen Kauf mit Widerrufsrecht durchzubringen. Damm den Amp im Proberaum, also unter realen Bedingungen testen. Und wenn es wirklich nicht soundlich fluppt, wieder zurückbringen.
Ich habe schon einige Amps weit jenseits der 4000DM/2000EUR-Grenze im Laden geliebt, und im Proberaum stellte sich dann die eine oder andere Schwachstelle heraus, die ich im Lade ums Verrecken nicht hören konnte. Nach einem schlimmen Erlebnis bin ich so nur noch verfahren, hat sich gelohnt bei den teuren Amps.
Ich weiss, daß mit dem Mitnehmen/Testen/Zurückbringen will kein Verkäufer machen. Gerade beim Erstkauf.
Aber jeder Verkäufer kennt das Problem!!! Erst im Proberaum zeigt sich, ober der Amp im Bandgefüge/Proberaum/Frequenzbereich funktioniert.
2. Zum prinzipiellen Unterschied P2P/Platine
Es steht ganz klar fest, daß auch bei allerbester P2P/Platinen-Kunst Unterschiede im Routing bestehen. Will sagen, die Leiterbahnen sehen IMMER anders aus als die von Hand verlegten Strippen.
Leider habe ich nie einen echten A/B-Vergleich machen können.
Aber es muss einen, wenn auch noch so kleinen (oder grossen) Unterschied machen.
Allerdings gilt für beide, P2P und Platine das gleiche: Aufgrund von Serienstreuung bei Neugeräten und aufgrund von teil unbekannter Geschichte eines alten, gebrauchten Amps muss man sich vom Ohr leiten lassen. Man muss sich wirklich das Teil anhören.
Ich habe natürlich niemals verifizieren können, ob es wirklich war ist, aber ich habe schon reichlich über Marshall-Amps gelesen, die bei Van Halen, AC/DC und auch Slash/Guns'n'Roses im Gebrauch waren, um die sich tw. schon Legenden ranken. Es scheint wirklich so zu sein, daß die sich alle immer wieder aus einem grösseren Fundus an Verstärkern diejenigen welchen rauspicken, die augenscheinlich am besten klingen.
Mein Eindruck ist:
Die grossen und Bekannten Gitarristen dieser Welt haben glaube ich immer nur ganz selten oder gar nicht darauf geschaut: ist das nun Handgewickelt und Fussgeblasen? Oder doch nur langweiliges Zeuch aus der Massenfabrik mit Platine?
Die haben NUR gehört und gehört und gehört. Und natürlich gespielt und gespielt und gespielt...
3. Mein eigener Leidensweg
Ich spiele Gitarre nur aus Spass und habe einen Job, der mir einige Spirenzchen ermöglichte. Man kann sagen, ich finde Röhrenamps für Gitarre richtig, richtig geil!
So ca. die letzten 10 Jahre habe ich ganz schön viele 1- und Mehrkanäler gekauft. Und ich habe immer noch die besten davon in meinem Besitz. Und zwar P2P und Platine.
Darunter mein allererster "teurer" Marshall MR2204 von 1985 Halfstack. Der ist Platine, aber der war immer schon irgendwie geil. Mit Platine.
Mehrere andere 1- und Mehrkanaler von Marshall. Allesamt Platine.
2204 50W MV, 1959SLP RI, MR2555 (geil) , MR6100LE, JMP45 RI, JCM900 2100 MV (sehr geiler Rocksound!), Studio 15
Und allesamt entfalten sie den allergeilsten Sound, aber erst bei sehr hoher Lautstärke (Bis auf Studio 15). Trotz Platine sind einige dieser Amps heute schon klassiker und nur bei den Re-Issues gibt es immer noch leidenschaftliche Debatten und Verbalkriege wg. Orginal damals vs. Re-Issue von heute... Ich bin zB. glücklich mit den geilen Re-Issues, die ich habe. Wer weiss, was passiert, wenn ich mal die Originale eines Tages höre...
Aber:
Die für mich inspirierendsten Amps mit einem Kanal/Sound, die ich habe, sind allesamt P2P, und allesamt bieten nur Clean - Mid Gain an:
Der HW Vox (hoffentlich lüge ich jetzt nicht mit P2P, ist in der Galerie),
Orange AD50 (meisten in ClassA / 30W)
Matamp 7W
Irgendwie klingen die besonders geil, wenn ich die nur anmache.
Den Grund kann ich nicht ausmachen. Es hilft hier sicherlich, daß die <= 30 Watt haben
In der Band spiele ich aber hauptsächlich nur die beiden Mehrkanaler
- Cornford MK50H (Einkanaler mit extra Röhre, also extra Gainstufe)
- 1997 VHT Pitbull CLX, das 3-Kanal-Top. Die EL34-Version vom Ultralead
Leider kann ich die 1-Kanaler nicht in der Band spielen. Da brauche ich mehr Gain und >= 2 Kanäle.
Der Cornford ist prinzipiell etwas höhenlastiger als der VHT. Wenn man das Vol-Poti zurückdreht, dann klingen die cleanen und auch angezerrten Sounds subjektiv deutlich "besser" als beim VHT, bei dem die verzerrten Sounds nicht so gut "aufklaren". Aber der VHT als 3-Kanaler ist wohl auch nicht als Amp fürs Volumenpoti gedacht.
Der Cornford ist wohl von Anfang an auf etwas weniger Gain ausgelegt. Damit hat er wohl von Haus aus eine grössere Dynamik und ein "lebendigeres" Klangbild
Cornford ist P2P, VHT CLX ist Platine. Beide sind wirklich sehr, sehr geil in der Band. Und die Unterschiede in Gain und Kompression, über die ich hier spreche, sind im Bandgefüge im Prinzip zu vernachlässigen, weil nicht so überragend wichtig. Aber sicherlich hörbar.
Summasummarum:
Ich bin kein Verfechter eines der beiden Lager.
Es hat mich ~10 Jahre und wirklich sehr viel Geld gekostet, an den heutigen Punkt zu gelangen. Und ich kann aus meiner Sicht nur sagen:
So gut wie jeder Amp mit Platine oder P2P hat eine Serienstreuung, alleine schon aus diesem Grund können beide Architekturen sehr geil, aber auch eben nicht so toll klingen.
Daher: In den Laden, nach dem Gehör entscheiden, einen oder 2 Tage warten, und nochmal anhören, weil das Ohr verschiedene Tagensformen zu haben scheint. Im Idealfall zurückzugeben, wenns im Proberaum überhaupt nicht passt.
Und bei fehlender Erfahrung mit Verstärkern muss vielleicht ein erfahrenerer Bekannter ran.
Beste Grüße
Jörch
PS: Korrektur. Amps sind nicht NUR ein Werkzeug für mich. Ich liebe den Anblick eines gut strukturierten P2P Amps von innen.
Meine Favoriten hier sind Cornford MK50H und Larry Dino (letzteren besitze ich nicht)
PSS: P2P vs Platine im Fender-Lager kann ich überhaupt nicht kommentieren. Null Erfahrung. Ich bin recht stark Marshall-lastig.
Marshall und Marshall-ardische...