Da schreibt uns doch der Leser L. Klein von „ ... einer recht dämlich naiven Frage“
Ein E-Gitarren Tonabnehmer basiert auf dem Prinzip eines elektrischen Wandlers;
warum wird dann, wenn doch das Prinzip ein rein elektronisches zu sein scheint,
so ein Gewese um die Hölzer (Korpus etc.) gemacht?
Gibt es dann, wenn die Hölzer mit ausschlaggebend für den Ton sind, auch mehr
Singlecoil- b.z.w. Humbucker-taugliche Hölzer oder Korpuskonstruktionen?
Ganz global kann ich schreiben, dass der Ton sich aus der Kombination aller
Bauteile ergibt und nicht nur Sache der Pickups ist. Wäre dem so, könnte man
ja ganz einfach den Klangcharakter durch Austausch von Tonabnehmern
ändern. Und dann wäre die erste Feststellung (warum so ein Gewese?)
durchaus richtig. Richtig wäre dann auch, dass man aus seinem Ikea Tisch
seine Traumgitarre schnitzen könnte - Hauptsache man wählt die richtigen
Pickups. Leider daneben, denn in erster Linie ist und bleibt unsere Strom-
Brettgitarre ein akustisches Instrument!
Akustisch? Warum? Nun ja, wir versetzen eine Saite durch den Anschlag in
Schwingung und der erzeugte Ton ist trotz fehlendem Resonazraum zu hören.
Und alles, was sich physikalisch vom Anschlag bis zum Ausklingen der Saite
ereignet, wird von der Holzkonstruktion beeinflusst - deshalb schreibe ich von
einem akustischen Instrument! Diese vielen und oftmals winzigen Informationen
stehen dann dem magnetischen Fenster des Tonabnehmers zum Abtasten bereit.
Jetzt stehen sich offensichtlich zwei für den Ton entscheidende Charaktere
gegenüber, doch einer verliert! Auch der beste, mittigste, deftigste usw. Tonabnehmer
ist nicht in der Lage, die Informationen der durch die Holzkonstruktion geprägten
Saitenschwingungen zu verbiegen. Im Klartext: Die Hölzer machen die Musik, den
Klangcharakter aus, Tonabnehmer nur zu ganz geringen Teil, und erst die
gelungene Kombination beider Komponenten macht aus einem Instrument ein
gelungenes. Damit jetzt keine Missverständnisse entstehen, möchte ich anfügen,
dass es natürlich möglich ist per Tonabnehmer Klangfärbungen vorzunehmen,
und damit den persönlichen „ Super-Sound “ zu basteln; aber der Einfluß ist
eben geringer als mancher denkt und so kann ein Humbucker der Strat mit Erle-
oder Esche - Korpus ( selbst mit viel Phantasie) noch lange nicht die charakteristische
Klang- und Attack-Entfaltung austreiben.
Aha, Holzsorten. Wie durchaus verschieden deren Charakter beurteilt wird, ist der
Tabelle zu entnehmen: Hier äußern sich verschiedene Hersteller dazu, aber um keine
weiteren Rückschlüsse ziehen zu können, habe ich die Firmennamen einfach durch
Buchstaben ersetzt. Vergleicht man die einzelnen Hölzer miteinander, kann man
sich in etwa vorstellen, welchen Klangcharakter die daraus gebauten Instrumente
haben - aber ist das genug? Nein, es wird hier nur über generelle Klangfarben Auskunft
gegeben, und (wichtig!) dass die „unedlen“ Hölzer Linde und Pappel gar nicht so mies
sein können, wie das immer dargestellt wird. Man sollte nur wissen, was man will,
und das geht leider nicht aus der Tabelle hervor. Deshalb gebe ich jetzt meine
Erfahrungen wieder. Vergleichen wir einfach mal die Klassiker aus US Fertigung
Gibson Les Paul Standard mit einer Fender Stratocaster, also Äpfel mit Birne. Klar,
die Les Paul besteht aus Mahagoni-Korpus mit aufgeleimter Ahorn-Decke und besitzt
einen eingeleimten Mahagoni-Hals; die Strat hingegen Erlen-Korpus mit aufgeschraubten
Ahorn-Hals. Dass die die Les Paul durch ihre Humbucker generell etwas fetter klingt,
lassen wir außer Acht, das Interesse gilt einzig und allein folgendem Punkt: Was passiert,
wenn ich z.B. das A auf der tiefen E-Saite über einen leicht angezerrt eingestellten Amp
zunächst sanft, und dann immer härter anschlage? Die Strat verhält sich wesentlich
dynamischer und man kann immer mehr Gas geben, bis, rein theoretisch, letztlich die
Saite aufgibt und reißt. Die Les Paul zeigt einen gänzlich anderen Charakter: zunächst
erzeugen die härter werdenden Anschläge auch mehr Lautstärke, doch dann kippt das
ganze um, die Töne werden nicht mehr lauter sondern dichter - geradezu als wäre ein
Kompressor/Limiter zugeschaltet worden. Wie meinen? Ja, das ist so, den Klangcharakter
der Les Paul bestimmen die aus dem Verhalten der Hölzer resultierenden Informationen
der Saitenschwingung, nicht die fetter klingenden Humbucker. Somit haben wir schon
zwei Eckpunkte: die Les Paul unterstützt den Spieler mit ihrer Kompression (sie „singt“),
die Strat lässt dynamisches Spiel zu. Ketzerisch, aber eine nachvollziehbare Aussage.
(Dazu noch die Anfügung, dass selbst Les Pauls von 1959 oder '60 diesen Kompressions-
effekt zeigen, von der Klangfarbe her allerdings wesentlich giftiger sind als heutige Modelle;
unabhängig davon sollte nicht unerwähnt bleiben, dass eine Strat mit 648mm eine etwas
längere Mensur besitzt und dadurch etwas straffer klingt.)
Jetzt wird auch verständlich, wie weiter oben steht, warum eine Strat trotz Humbucker
niemals eine Les Paul werden kann. Man kann den Ton höchstens wärmer und fetter
machen, doch die typische Kompression wird nicht erreicht. Damit wird dann auch klar,
warum die Cracks aus Nashville mit Absicht keine Humbucker in ihre Tele oder Strat
schrauben, sonder diese kleine rote Kiste (MXR Dynacomp) benutzen, um einen Hauch
dichter zu klingen.
Aus dieser Feststellung heraus, dass Hölzer nicht nur die Klangfarbe bestimmen, sondern
vor allem die Information der Saitenschwingung, komme ich jetzt zu den „Billighölzern“
(in den USA wird Basswood übrigens teurer gehandelt als Erle!). Linde ist ein weicheres
Hartholz als Erle, zudem etwas leichter und wird für Gitarren der Einsteigerklasse und
Profiliga (teuer!) verbaut. Am Preis kann das nicht liegen, auch nicht daran, dass die Asiaten
z.B. über unvorstellbare Mengen verfügen, nein, die Amis verwenden Linde ebenfalls gerne.
Ein gewichtiger Grund dafür ist, dass Linde nicht so spritzig daherkommt wie Erle oder
Esche, aber Kompression zeigt - trotz aufgeschraubten Ahorn-Hals! Deshalb wird dieses
Holz seit vielen Jahren z.B. für Signature-Gitarren verwendet, in Custom Shops - gar manches
Edelteil verbirgt unter dem Lackkleid die im Volksmund gerne als minderwertig bezeichnete
Linde! (Und bei solchen Instrumenten könnte sich der Namensgeber wohl auch jede andere
Holzsorte wünschen!)
Aus dieser Erkenntnis lassen sich jetzt zwei Infos herausfiltern. Wer auf der Suche nach
der ultimativen Stratocaster aus traditioneller Hinsicht ist, die dann auch so tönen soll, der
macht um Linde oder Pappel besser einen großen Bogen. Obwohl der Erle, dem Stoff
aus dem die Träume sind, ähnlich, lassen beide doch das, was die Amis als „Snap“ bezeichnen,
vermissen und da helfen auch die teuersten Boutique-PU's nicht weiter.
Andererseits kann es natürlich gefallen, dass die Holzkonstruktion das eigene Spiel unterstützt
und der Klang gedeckter daher kommt. Für mein Empfinden harmoniert Linde bestens mit
Humbuckern, mit Singlecoils ist´s eben aus traditioneller Sicht geschmackssache und führt
wohl zu den bekannten Unkenrufen. So ist denn eine Strat aus Linde/Pappel genau das richtige
für all diejenigen, denen Singlecoils sowieso zuviel klingeln bzw. zu dünn sind, weil eine gute
Basis zur Auf- und Umrüstung mit Standard Humbucker oder die ohne Fräsarbeiten zu
installierenden Doppelspuler im Singlecoil-Format. Denn eine so umgerüstete Gitarre klingt
zum einen wärmer und fetter, zum anderen verfügt sie über ein der Les Paul ähnliches Attack-
Verhalten, welches die traditionellen Hölzer Erle und Esche nicht bieten können.
Dass sich diese Folge auf die Strat (und obwohl nicht genannt, die Tele) bezieht, hat natürlich
einen Grund: Es ist immer noch das meist modifizierte Gitarrenmodell!
Soweit für dieses Mal, ich hoffe, dass der ein oder andere seine Gitarre jetzt etwas besser
einschätzen oder den Neukauf unter anderen Gesichtspunkten planen kann.
Natürlich hat auch der Gitarrenhals und dessen Holzkonstruktion Einfluss auf das oben stehende,
das beweisen z.B. solche Instrumente wie Danelectro, doch macht sich jeder zuerst Gedanken
über das Korpusholz und deshalb einige Anmerkungen dazu. Demnächst mehr ... unterdessen
bitte die geschraubten Hälse nicht einleimen, es lohnt den Aufwand nicht.