E
erniecaster
Power-User
- 19 Dez 2008
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Der Gitarrenamp - der Dinosaurier unserer Zeit? Hoffentlich!
Gehen wir weit zurück in die Vergangenheit. In Amerika dominieren die Jazzkapellen. Akustische Gitarren kommen dort nicht vor, nicht zuletzt wegen der niedrigen Lautstärke. Es versuchen verschiedene Leute, die akustische Gitarre elektrisch zu verstärken und scheitern dabei mehr oder weniger grandios. Zwar ist man auch Jahre später nicht in der Lage, die akustische Gitarre elektrisch verstärkt laut zu spielen aber im Vorbeigehen hat man die E-Gitarre erfunden. Der Gitarrist steht also mit seiner Gitarre neben seinem Amp. Bildlich gesprochen steht neben ihm der Trompeter - ohne Amp, der ist laut genug. Dieses Szenario kennen wir von dem einen oder anderen Marktplatz am Sonntagmorgen zum "Schobbejatz". Alle spielen ihr lautes Instrument, der Gitarrist hat seinen Amp dabei. Das wird es auch weiter geben. Aber manchmal singen sogar Menschen und schon wir sind sehr nahe an der Popmusik.
Im letzten Jahrtausend gab es einen heute fast verloren gegangenen Begriff: "Gesangsverstärker". Man darf sich das so vorstellen, dass der Drummer laut genug war, der Bassist seinen Bassverstärker und der Gitarrist seinen Gitarrenverstärker hatte. Keyboarder gab es noch nicht. Das waren entweder Organisten oder Pianisten und die hatten auch ihren Amp. Und für die Sänger gab es eben die Gesangsverstärker. Nun wurden irgendwann die Räume, in denen die Popmusiker auftraten, größer. Damit auch der letzte Zuhörer etwas hören konnte, musste jeder ein wenig lauter spielen. Während die ersten Verstärker noch mit mageren Watt auskamen, wurden die Wattzahlen immer größer und die Boxen wuchsen mit.
Tatsächlich gibt es noch heute Bands, die genau so arbeiten wie früher: Die P.A. wird nur für den Gesang genutzt. Und in kleinen Räumen mag das sogar funktionieren, jedenfalls, wenn wenig genug Zuhörer da sind. Die Probleme kennen wir alle. Es klingt überall im Raum anders, denn auf der Bühne brüllen die Amps die ersten beiden Zuschauerreihen an, der sich kugelförmig im Raum verteilende Bass dröhnt überall und wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt, hört man den Gesang. So wandert man mit dem Bier in der Hand herum und versucht, einen Platz zu finden, wo es gut klingt. Der akustisch beste Platz ist irgendwo zwischen den Toiletten, der Theke und der Band. Zum Glück wuchsen die Arenen, in denen Musik gemacht wurde, weiter. Auch mehrere 200-Watt-Fullstacks reichten für die Beschallung nicht mehr aus. Also wurden vor die Boxen Mikros gestellt oder gehängt und das Signal in die P.A. gegeben. Das tut man heute fast überall, nicht nur in Fußballstadien sondern schon in der kleinsten Kneipe. Mit ein wenig Pech ist die Bühne so klein, dass das beim Soundcheck sorgfältig ausgerichtete Mikro um zwei Zentimeter verschoben wird, dass der erzielte Sound mit dem gewünschten Sound überhaupt nichts zu tun hat.
Reden wir doch nicht drumrum: Die Menschen am Mischpult hassen Gitarrenamps. Was das Publikum hört, ist eine Mischung aus P.A.-Signal und dem direkten Signal aus den Speakern. Am Bühnenrand zuviel Gitarre und hinten zuwenig. Dazu brät der Speaker in die Mikros, die eigentlich für den Gesang gedacht waren. Und das Mikro für die Bassdrum bekommt auch noch einen mit. Furchtbar. Bassisten sind übrigens auch nicht immer Heilige! Es gibt noch genug Wahnsinnige, die eine riesige Box oder gar mehrere davon benutzen wollen. Meistens Boxen, die sie alleine nicht mal tragen können. Boxen, die auf der Holzbühne stehen und alles schön ins Dröhnen bringen. Zum Glück ist diese Spezies kleiner geworden.
Kurz gesagt: Boxen auf der Bühne sind für den Mischer - und das Publikum - weniger eine Bereicherung als ein Störgeräusch, kurz Lärm. Noch schlimmer dabei ist die Tatsache, dass das sogar für die Musiker selbst so ist. Wenn wir uns auf der Bühne was wünschen dürften, was wäre das dann? Alle Musiker in angemessener Lautstärke hören zu können. Die Band als Ganzes erleben zu dürfen. Warum braucht eine Band verschiedene Monitormischungen? Warum soll der Keyboarder (auf der Bühne links) etwas anderes zu hören bekommen als der Gitarrist (auf der Bühne rechts) oder der (in der Mitte stehende) Sänger? Derzeit liegt es am Lärm aus der Gitarrenbox. Der Gitarrist braucht keine Gitarre auf dem Monitor, der Keyboarder schon, denn er hört den Amp ja nicht. Und der Sänger hört nur auf einem Ohr was vom Gitarrenamp, braucht also halb so viel Gitarre auf dem Monitor wie der Keyboarder. Zugegeben - bei einer Band mit Bläsern wird all das schwieriger. Aber in wie vielen Bands gibt es Bläser?
Gitarristen sind konservativ. Es soll heute noch so klingen wie vor vierzig Jahren. Das ist aber kein Argument, das gleiche Equipment wie vor vierzig Jahren zu verwenden. Die Industrie bietet seit Jahren Geräte an, die Endstufen, Speaker und Mikrofone simulieren. Im Vergleich zu Endstufen und Boxen sind die Geräte klein und preiswert. Es ist reiner Konservatismus, weiterhin große, schwere und später auch noch laute Kisten mit sich herum zu schleppen, die auf der Bühne hauptsächlich Probleme machen.
Gruß
erniecaster
P.S. Es gibt noch ein Argument für die hoffentlich bald aussterbende Gitarrenbox auf der Bühne. Die E-Gitarre lebt auch von der Interaktion mit der bewegten Luft aus der Box, kurz Feedback. Ein Mangel an Feedback führt häufig zu leblosem Sound. Hier gibt es meiner Meinung nach eine Marktlücke: Eine aktive Box in Monitorform, die ihren Schall sehr gebündelt abgibt und vom Gitarristen per Pedal regelbar ist. Damit könnte der Gitarrist dann das gewohnt Spielgefühl wieder erhalten, ohne dass der Lärm auf der Bühne die ganze Zeit alle stört.
P.P.S. Dieser Beitrag ist bewusst ein wenig pointiert und schwarz/weiß geschrieben. Es möge sich niemand auf die Füße getreten fühlen.
Gehen wir weit zurück in die Vergangenheit. In Amerika dominieren die Jazzkapellen. Akustische Gitarren kommen dort nicht vor, nicht zuletzt wegen der niedrigen Lautstärke. Es versuchen verschiedene Leute, die akustische Gitarre elektrisch zu verstärken und scheitern dabei mehr oder weniger grandios. Zwar ist man auch Jahre später nicht in der Lage, die akustische Gitarre elektrisch verstärkt laut zu spielen aber im Vorbeigehen hat man die E-Gitarre erfunden. Der Gitarrist steht also mit seiner Gitarre neben seinem Amp. Bildlich gesprochen steht neben ihm der Trompeter - ohne Amp, der ist laut genug. Dieses Szenario kennen wir von dem einen oder anderen Marktplatz am Sonntagmorgen zum "Schobbejatz". Alle spielen ihr lautes Instrument, der Gitarrist hat seinen Amp dabei. Das wird es auch weiter geben. Aber manchmal singen sogar Menschen und schon wir sind sehr nahe an der Popmusik.
Im letzten Jahrtausend gab es einen heute fast verloren gegangenen Begriff: "Gesangsverstärker". Man darf sich das so vorstellen, dass der Drummer laut genug war, der Bassist seinen Bassverstärker und der Gitarrist seinen Gitarrenverstärker hatte. Keyboarder gab es noch nicht. Das waren entweder Organisten oder Pianisten und die hatten auch ihren Amp. Und für die Sänger gab es eben die Gesangsverstärker. Nun wurden irgendwann die Räume, in denen die Popmusiker auftraten, größer. Damit auch der letzte Zuhörer etwas hören konnte, musste jeder ein wenig lauter spielen. Während die ersten Verstärker noch mit mageren Watt auskamen, wurden die Wattzahlen immer größer und die Boxen wuchsen mit.
Tatsächlich gibt es noch heute Bands, die genau so arbeiten wie früher: Die P.A. wird nur für den Gesang genutzt. Und in kleinen Räumen mag das sogar funktionieren, jedenfalls, wenn wenig genug Zuhörer da sind. Die Probleme kennen wir alle. Es klingt überall im Raum anders, denn auf der Bühne brüllen die Amps die ersten beiden Zuschauerreihen an, der sich kugelförmig im Raum verteilende Bass dröhnt überall und wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt, hört man den Gesang. So wandert man mit dem Bier in der Hand herum und versucht, einen Platz zu finden, wo es gut klingt. Der akustisch beste Platz ist irgendwo zwischen den Toiletten, der Theke und der Band. Zum Glück wuchsen die Arenen, in denen Musik gemacht wurde, weiter. Auch mehrere 200-Watt-Fullstacks reichten für die Beschallung nicht mehr aus. Also wurden vor die Boxen Mikros gestellt oder gehängt und das Signal in die P.A. gegeben. Das tut man heute fast überall, nicht nur in Fußballstadien sondern schon in der kleinsten Kneipe. Mit ein wenig Pech ist die Bühne so klein, dass das beim Soundcheck sorgfältig ausgerichtete Mikro um zwei Zentimeter verschoben wird, dass der erzielte Sound mit dem gewünschten Sound überhaupt nichts zu tun hat.
Reden wir doch nicht drumrum: Die Menschen am Mischpult hassen Gitarrenamps. Was das Publikum hört, ist eine Mischung aus P.A.-Signal und dem direkten Signal aus den Speakern. Am Bühnenrand zuviel Gitarre und hinten zuwenig. Dazu brät der Speaker in die Mikros, die eigentlich für den Gesang gedacht waren. Und das Mikro für die Bassdrum bekommt auch noch einen mit. Furchtbar. Bassisten sind übrigens auch nicht immer Heilige! Es gibt noch genug Wahnsinnige, die eine riesige Box oder gar mehrere davon benutzen wollen. Meistens Boxen, die sie alleine nicht mal tragen können. Boxen, die auf der Holzbühne stehen und alles schön ins Dröhnen bringen. Zum Glück ist diese Spezies kleiner geworden.
Kurz gesagt: Boxen auf der Bühne sind für den Mischer - und das Publikum - weniger eine Bereicherung als ein Störgeräusch, kurz Lärm. Noch schlimmer dabei ist die Tatsache, dass das sogar für die Musiker selbst so ist. Wenn wir uns auf der Bühne was wünschen dürften, was wäre das dann? Alle Musiker in angemessener Lautstärke hören zu können. Die Band als Ganzes erleben zu dürfen. Warum braucht eine Band verschiedene Monitormischungen? Warum soll der Keyboarder (auf der Bühne links) etwas anderes zu hören bekommen als der Gitarrist (auf der Bühne rechts) oder der (in der Mitte stehende) Sänger? Derzeit liegt es am Lärm aus der Gitarrenbox. Der Gitarrist braucht keine Gitarre auf dem Monitor, der Keyboarder schon, denn er hört den Amp ja nicht. Und der Sänger hört nur auf einem Ohr was vom Gitarrenamp, braucht also halb so viel Gitarre auf dem Monitor wie der Keyboarder. Zugegeben - bei einer Band mit Bläsern wird all das schwieriger. Aber in wie vielen Bands gibt es Bläser?
Gitarristen sind konservativ. Es soll heute noch so klingen wie vor vierzig Jahren. Das ist aber kein Argument, das gleiche Equipment wie vor vierzig Jahren zu verwenden. Die Industrie bietet seit Jahren Geräte an, die Endstufen, Speaker und Mikrofone simulieren. Im Vergleich zu Endstufen und Boxen sind die Geräte klein und preiswert. Es ist reiner Konservatismus, weiterhin große, schwere und später auch noch laute Kisten mit sich herum zu schleppen, die auf der Bühne hauptsächlich Probleme machen.
Gruß
erniecaster
P.S. Es gibt noch ein Argument für die hoffentlich bald aussterbende Gitarrenbox auf der Bühne. Die E-Gitarre lebt auch von der Interaktion mit der bewegten Luft aus der Box, kurz Feedback. Ein Mangel an Feedback führt häufig zu leblosem Sound. Hier gibt es meiner Meinung nach eine Marktlücke: Eine aktive Box in Monitorform, die ihren Schall sehr gebündelt abgibt und vom Gitarristen per Pedal regelbar ist. Damit könnte der Gitarrist dann das gewohnt Spielgefühl wieder erhalten, ohne dass der Lärm auf der Bühne die ganze Zeit alle stört.
P.P.S. Dieser Beitrag ist bewusst ein wenig pointiert und schwarz/weiß geschrieben. Es möge sich niemand auf die Füße getreten fühlen.