Hallo!
Ein interessantes Thema, wie ich finde.
Von Tom und dem Trekkerfahrer wurde ja schon richtigerweise angemerkt, daß erwartungsgemäß hier natürlich die Nennungen den persönlichen musikalischen Geschmack widerspiegeln und die musikalische Sozialisation.
Jörg der Pfaelzer hat versucht, diesbezüglich ein wenig mehr zu abstrahieren, also unabhängig von seinem eigenen Musikgeschmack auf das eigentliche Thema "gutklingend" einzugehen.
Es wäre vielleicht diesbezüglich auch nochmal interessant, in einem Thread die Bands darzustellen, die man selbst künstlerisch toll findet/fand, aber gleichzeitig schlecht produziert. Da würden mir auch so einige einfallen.
Wenn es darum geht, Platten als gutklingend einzustufen, kommen unweigerlich auch Produzent und Toning. ins Spiel, denn historisch gesehen haben gute, musikalische Produzenten immer auch beim Arrangieren geholfen und wie wir wissen, klingen gut arrangierte Songs besser.
Und manchmal stuft man Aufnahmen als "für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich gut klingend ein", wie Jörg das schon getan hat. Weil es eben auch technische Limitierungen gab.
Ich versuche einmal, ein paar Eckpunkte für mich zu finden.
60er Jahre:
Da gibt es 2 große Produzenten, ohne die geht nichts. Der eine ist George Martin, der andere Phil Spector. Beide sind musikalische Producer, haben also mitarrangiert. Es ist klar, daß die Beatles ohne Martin nicht ihr volles Potential entfaltet hätten.
Mir gefällt klanglich das Weiße Album am besten.
Phil Spector hat ja Let It Be (1970) produziert, ebenfalls sehr gut klingend, wie ich finde. Und die Arbeit mit Tina Turner "River Deep- Mountain High" 1966 war schon auch innovativ.
70er Jahre:
Die Mehrspurtechnik hält langsam Einzug, aber alles ist noch analog.
Sehr gute Produktionen gibt es von ABBA (Also Ulvaeus und Andersson), insbesondere 'Arrival' von 1976 ist einfach toll.
Oder 10 cc "The Original Soundtrack" von 1975 (inkl. 'I'm Not in Love') ist unglaublich.
Police wurde ja auch schon genannt, ich persönlich finde aber, daß 'Outlandos d'Amour' noch sehr unter studiotechnischen Unzulänglichkeiten zu leiden hat, obwohl das Album brillant ist. Das hätte ich gerne besser produziert gehört (obwohl: Who cares im Punk/New Wave- Kontext?).
1979 produziert ein gewisser Steve Lillywhite das Album "Drums and Wires" meiner Alltime - Lieblingsband XTC und schafft zusammen mit seinem damaligen Toning. Hugh Padgham (der dann später Police und Sting produzieren wird) die Blaupause für DEN Snaredrum- Sound der 80er, komprimiert und gegated bis zum geht-nicht-mehr. Anspieltipp: "Making Plans For Nigel". Eine toll klingende Platte. Lillywhite wird später als Producer sehr berühmt mit U2, aber er ist nicht so ein musikalischer.
Die 80er:
Meiner Meinung nach das "Produzentenjahrzehnt". Produzenten drücken ihren Künstlern einen gewissen Trademark- Sound- Stempel auf, der Begriff 'überproduziert' taucht erstmals auf.
Trevor Horn wurde schon genannt, 'The Look Of Love' von ABC klingt auch heute noch extrem geil, ebenso Frankie goes To Hollywood (obwohl beide mir künstlerisch zu flach).
Sehr erwähnenswert aber sind aus den 80ern die Produktionen von Rupert Hine, zuallererst die Alben, die er mit THE FIXX gemacht hat (besonders 'Reach The Beach' inkl. der Single 'One Thing Leads To Another' von 1983). Das waren wirklich stilprägende Produktionen, bis heute.
Weitere aus den 80ern: Black Sea und English Settlement von XTC, produziert von Lillywhite und Padham.
Ein erster Gegenentwurf zum 80ies- Trademark war 'Body And Soul' von JOE JACKSON 1984, produziert von Joe Jackson und David Kershenbaum; hier sollte alles möglichst natürlich klingen, aber wuchtig. Das Album klingt wirklich extrem "tiefgestaffelt".
Andere bis heute erfolgreiche Produtenten mit anderem Ansatz begannen ebenfalls in den 80ern ihre Meriten zu sammeln, z.B. Mitchell Froom mit Crowded House 1986 und Brian Eno/Daniel Lanois mit U2s 'Joshua Tree' 1987. Hier war der Ansatz wohl eher 'Performance geht vor Klang' und tatsächlich finde ich Joshua Tree klanglich eher mau.
90er bis heute:
'Alles geht', man findet Hightech und Lowtech, Studiotechnik ist nicht mehr Mittel zum Zweck. Der musikalische Produzent bleibt daher umso wichtiger.
Hier ist Rick Rubin für meine Begriffe ein unglaublich geschmackssicherer Produzent, bis heute. Red Hot Chili Peppers 'Blood Sugar Sex Magik' 1991, By The Way (2002) und Stadium Arcadium (2006) sind sehr gelungen. Tom Pettys 'Wildflowers' von 1994 ebenfalls.
'Painted From Memories' von Elvis Costello und Burt Bacharach von 1998 ist ebenfalls ein Glücksfall.
Andere große "Super-" Bands dieser Zeit wie z.B. Oasis sind für meine Begriffe einfach nur schlecht produziert worden, und klingen auch eher schlecht.
Gutklingende, aktuelle Produktionen (2011): Coldplay (Mylo Xyloto), wieder Red Hot Chili Peppers (I'm With You, Rick Rubin), Wilco (The Whole Love).
Hui, sehr langer Post. I'm sorry, sollte es zu anstrengend gewesen sein.